Außenansicht von IBM in Johannesburg

Afrika in den digitalen Startlöchern

Der Kontinent ist auch bei der Digitalisierung Entwicklungsland, doch zeugen die bereits arbeitenden Start-ups von seinem enormen Potenzial.

Afrika wird das größte Bevölkerungswachstum in den kommenden Jahrzehnten verzeichnen, und Städte wie Lagos und Kinshasa werden bis 2050 Megacitys mit über 30 Millionen Einwohnern sein. Afrika hat mit ca. 29 Prozent die niedrigste Internet-Verbreitung weltweit, der digitale Wachstumsschub steht dem Kontinent also noch bevor. Digitale Innovationen spielen jedoch bereits heute eine wichtige soziale und ökonomische Rolle. Immer mehr internationale Investoren setzen auf Start-ups aus Afrika. 2016 erhöhte sich die Summe der Investitionen auf 366,8 Millionen Dollar. Laut eines Berichts von Disrupt Africa gingen die meisten Investitionen an den Fintech-Sektor, aber der Agrar-Sektor verzeichnete das größte Wachstum an Investitionen im Vergleich zum Vorjahr. Andere Sektoren, die viel Investitionsmittel anzogen, sind Gesundheit, Handel, Unterhaltung und Bildung. 

Über 300 Inkubatoren und Tech-Hubs

Intermediäre wie Technologie-Hubs, Start-up-Inkubatoren, Coworking Spaces, Makerspaces und andere Trefforte der lokalen digitalen Gesellschaft spielen in der Entwicklung digitaler Ökosysteme in afrikanischen Städten eine wichtige Rolle. In einem Jahr hat sich die Anzahl verdoppelt, im Juli 2016 wurden 314 Technologie-Hubs und Inkubatoren gezählt, im Jahr davor ergab eine Untersuchung der Weltbank 117 solcher Organisationen. Obwohl es mittlerweile in mehr als 93 Städten in 42 Ländern Hubs gibt, konzentriert sich die Hälfte auf nur 5 Länder – Südafrika, Ägypten, Kenia, Nigeria und Marokko.

Wie in anderen Regionen erhofft man sich von der Start-up-Wirtschaft, dass sie durch ihre schlanken und agilen Strukturen, ihre innovativen Ideen und Ansätze und den disruptiven Charakter ihrer Geschäftsmodelle alte und träge Systeme in Bewegung bringt und den Weg in eine digitalisierte Gesellschaft mitgestaltet. Viele digitale Projekte oder Geschäftsideen suchen sich Lücken in bestehenden Serviceleistungen und versuchen diese durch innovative Lösungen zu verbessern. Hierzu gehören auch staatliche Leistungen, z.B. im Gesundheits- oder im Bildungsbereich.

Start-Ups im Bildungs- und Medizinbereich

Das Start-up Dext wurde von zwei jungen Männern im Kumasi Hive, einem Makerspace in Ghana, gegründet. Das mittlerweile preisgekrönte Start-up stellt Experimentier-Kitts für den Wissenschaftsunterricht her. Der Bildungsetat wird in Ghana fast ausschließlich für Honorare ausgegeben, Geld für Infrastruktur oder Unterrichtsmaterial gibt es kaum. Die meisten Kinder lernen Naturwissenschaften nur in der Theorie. Das Kitt von Dext ist an das Oberschulcurriculum angepasst und beinhaltet praktische Experimente für alle Unterrichtseinheiten. Alle Komponenten werden in Ghana hergestellt, und es ist mit 16 Dollar für viele Eltern bezahlbar. Ziel von Dext ist es, mit steigenden Produktionszahlen den Preis zu senken.

Das Start-up flare – von zwei US-Amerikanerinnen in Kenia gegründet – ist eine Art Uber für Krankenwagen. Da es in Kenia keine zentrale Notrufnummer gibt, versucht dieses private Unternehmen die Versorgungslücke zu schließen. Die Initiative Makernet hat zum Ziel, Maker-Technologien wie 3D-Druck für soziale und humanitäre Zwecke einzusetzen und gleichzeitig lokale Wertschöpfungsketten zu unterstützen. In Kenia hat Makernet vergangenes Jahr mit Krankenhäusern kooperiert. Verschiedene Maschinen wurden mit Hilfe von 3-D-Druck repariert. Das Projekt half, Engpässe in der Versorgung mit Ersatzteilen und neuen Geräten zu überbrücken. Zum Beispiel wurden im St. Patrick’s Hospital in Kenia neue Verbindungsteile für einen Sauerstofftank, der für Beatmungszwecke gebraucht wird, gedruckt. Ein neuer Tank hätte ca. 550 Dollar gekostet, die Reparaturkosten betrugen nur 40 Dollar. 

Makernet und flare sind zwei von vielen Beispielen für die positive Wirkung digitaler Innovation in öffentlichen Bereichen. Sie konzentrieren sich darauf, mangelhafte oder fehlende staatliche Serviceleistungen von privater Seite aus bereitzustellen oder zu verbessern. Diese Entwicklung ist zweischneidig, denn sie kann dazu führen, dass immer mehr staatliche Kernaufgaben schleichend privatisiert werden und Regierungen ihrer Verantwortung nicht nachkommen. Um eine solche Entwicklung zu vermeiden, sollten neue Formen öffentlich-privater Kooperation gesucht und unterstützt werden.


Geraldine de Bastion ist Referentin für internationale Netzpolitik in der Heinrich-Böll-Stiftung.

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