Mensch mit einem umgeschnallten Buch als Virtual-Reality-Brille

Industrie 4.0

Ein Capricchio über die Zwiespältigkeit der Digitalisierung und der analoge Mensch nicht einfach mitdigitalisiert werden kann.

 

Ich rede offensichtlich mit den falschen Leuten. Während rund um uns herum alle sich über Industrie 4.0 unterhalten, ist hier nur die Rede von Bio 4.0, allenfalls Landwirtschaft 4.0, Nachhaltigkeit 4.0, allerdings minus Technotrübsinn.

Oder man versteht meine Frage schon mal gar nicht. Niemand hier möchte über den individuell kreierbaren Turnschuh sprechen, die gestaltbaren Skier, die großen Kommerzialisierungschancen dieser Vernetzung von Produktionsprozessen.

Niemand führt die Autozulieferbranche im Munde oder will sich für Rationalisierungserfolge erwärmen, obwohl sie doch wahrhaft zu feiern sind. Sind wir doch froh, gewisse Arbeitsschritte losgeworden zu sein, dass es smoother geht, einfacher, lassen wir die Sektkorken knallen!

Auf diesem Stehempfang hier gibt es nicht einmal die erwartbaren Sektkelche, keine Häppchen, niemand, der freiwillig die großen Chancen feiert und die allzu schnelle Rede von Wertschöpfungsketten durchexerziert.

Üblicherweise ist es der Standortfaktor Deutschland, der danach am lautesten herausklingt, sozusagen der lange Abgang dieses Getränks, das wir hier dann doch zu uns nehmen. «Ein Ineinander in der Produktion, was für ein Wachstumsmotor!»

Leider wachsen ja die Menschen nicht automatisch mit in so einer Rede, sie bleiben oft erschreckend klein, wenn die Wertschöpfung so unglaublich wächst, aber ich rede ohnehin mit den falschen Menschen.


Kathrin Röggla ist Schriftstellerin und lebt in Berlin.

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