Podcast: Trolle – Influencer - Evangelisten

Wahlkampf gewinnt man in den Köpfen. Was früher Zeitung, Radio, Fernseher waren, das sind heute soziale Netzwerke. Hier tobt der Kampf um die Köpfe. Und natürlich mischen dort auch alte Bekannte mit: Trolle.  ➢ Jetzt die Podcast-Reihe anhören!

Lesedauer: 9 Minuten
Was sind Trolle?

 

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Was sind Trolle? Das sind Menschen, die Diskussionen sprengen wollen. Einfach nur stören. Trolle gibt es, seit Menschen im Netz diskutieren. Früher in Foren und Diskussionsgruppen. Heute in sozialen Netzwerken. Doch trifft die alte Wahrnehmung nicht mehr ganz zu. Denn immer öfter werden aus Trollen Evangelisten: Menschen, die nicht mehr nur stören wollen, sondern verbittert für etwas streiten und sich selbst wie auf einer Mission sehen. Die neueste Entwicklung in dieser Angelegenheit sind ganze Troll-Farmen: hunderte Menschen, die von Auftraggebern für das Stimmungmachen bezahlt werden. Kann all das gefährlich werden für eine Demokratie? Was macht das mit dem Wahlkampf und politischer Diskussion?

19. Januar 2017. Washington D.C. Das „National Press Building – kein kleines Gebäude – ist an diesem Abend“ gut gefüllt. Hier, auf dem „Deplora Ball“, tragen viele Jeans. Oder T-Shirts. Auch die berühmten „Let’s Make America Great Again“-Basecaps. Der „Deplora Ball“ ist ein Treffen von Trollen und Stimmungsmachern. Hier feiern Menschen die Amtseinführung von Donald Trump. Und das wäre vielleicht nicht der Rede wert, wenn diese Menschen nicht eben unverhohlen ins Mikrofon von „This American Life“, einem der größten Podcasts der Welt, und damit in Millionen Ohren gesagt hätten: ‚Wir waren das. Mit unserem Memes. Wir haben ihn ins Amt gepostet. Wir haben die Debatten-Kultur bestimmt.‘ Moment! Die Kultur bestimmt? Wie soll das gehen?

Filterbubble und Echokammern, Social Bots und Trollarmeen und natürlich auch das präzise Ausspielung von politischen Botschaften durch Microtargeting verändern die Art und Weise wie Wahlkampf gemacht wird.

Eine Podcast-Reihe mit vier Folgen Jetzt anhören!

Trolle, Evangelisten, Influencer – was steckt dahinter?

Martin Fuchs berät Politikerinnen und Politiker in digitaler Kommunikation und sagt: so schwer ist das gar nicht:

„Was beobachtet wurde in letzter Zeit ist, dass es ein paar sehr, sehr aktive Menschen gibt, von denen man angenommen hatte, dass sie vielleicht sogar social bots waren, die aber in der Tat 18 Stunden am Tag nichts anderes gemacht haben, als in Kommentarspalten von Parteien und Medien bestimmte Propaganda abzulassen.“

Bots sind kleine Programme. Maschinen. Algorithmen. Klar, denen machen 18 Stunden am Tag nix. Aber Menschen? Wesen mit Humor und sozialer Intelligenz? 18 Stunden lang Memes basteln! GIFs! Bilder! Zitate, echte und unechte. Fake-News! Jeden Tag! All diese Dinge, die sich in sozialen Netzwerken rasend schnell verbreiten. Mit den ursprünglichen Trollen hat das nicht mehr viel zu tun, sagt der Kommunikationswissenschaftler Martin Emmer von der FU Berlin:

„Trolle ist natürlich ein ganz weiter Begriff. Der Ur-Troll ist ja wirklich nur der Isolierte, der Durchgeknallte, der zuhause am Rechner sitzt. Und entweder Spaß daran hat, andere zu quälen, indem er Debatten zerstört, oder aber eine individuelle Mission hat. Interessanter wird es jetzt im Kontext politischer Kommunikation eher, wenn sowas nur vorgetäuscht wird. Wir kennen ja mittlerweile die russischen Troll-Fabriken, wo ganz gezielt Leute bezahlt werden, um in dieser Form zu agieren. Das wird dann verknüpft mit so etwas wie Social Bots. Man kann den Impact solcher Kommunikation erhöhen, indem jeder Troll dann eben auch seine Bots losschickt. Man vervielfältigt dann die Kommunikation. Und insofern ist das natürlich ein Konzept, das sehr stark einen Nutzen zieht aus den ganzen digitalen Technologien, die es gibt."

Politikberater Martin Fuchs aber glaubt nicht, dass Trolle und Influencer gleich einen kompletten Wahlkampf drehen können. Zu hoher Aufwand. Zu hohe Kosten. Und klassische Trolle, die wollen ohnehin keinen Diskurs, sondern nichts anderes als stänkern:

„Da gibt es natürlich verschiedene Abstufungen und auch verschiedene Motivationsgrade, warum ein Troll trollt. Aber im Grunde genommen geht es ihm darum, Aufmerksamkeit zu erzeugen – er möchte keinen Diskurs, er möchte nicht, dass eine Diskussion über bestimmte inhaltliche Sachen passiert. Der Troll ist eigentlich ein klassisches Phänomen der Netzkultur. Das ist aber eine sehr, sehr kleine, laute Minderheit. Ich würde mal sagen, das sind maximal zwei bis drei Prozent der Nutzer. Das zeigen auch aktuelle Studien, die sich mal angeschaut haben: wer kommentiert eigentlich auf den Nachrichtenseiten in Deutschland? Ein Beispiel bei Focus: Über 60 Prozent der Kommentare werden von zwei Prozent der Nutzer veröffentlicht und geschrieben. Und da muss man dann einfach lernen, dass Trolle gern ihre Podien suchen, wo sie Aufmerksamkeit haben, und dass man sie einfach nicht beachtet.“

Das jedenfalls kann helfen, wenn man es mit klassischen Trollen auf der eigenen Seite zu tun hat.

Die Gefahr hinter Trollen

Schwieriger aber wird es, wenn das Ganze zum sogenannten „Info War“ verkommt: dem Kampf um die öffentliche Stimmung. Mittlerweile hat sich auch das Stimmung machen professionalisiert. Hinter den Kampagnen stecken keine Einzelpersonen mehr. Und auch keine Zusammenschlüsse von Einzelpersonen. Wir reden also nicht mehr über Trolle, oder über Evangelisten – wir reden oft über sehr professionelle Anbieter, erklärt Markus Reuter, der sich bei netzpolitik.org unter anderem mit Fake News beschäftigt:

Das heißt, ich habe eine Agentur. Da sind hundert Leute beschäftigt. Und die haben alle 50 Fake-Profile. Und dann fangen die an, in meinem Sinne Propaganda zu machen. Also das war das, was diese russische Troll-Armee gemacht hat. Aber da gibt es auch die 50-Cent-Army in China, da gibt es auch Einheiten vom britischen Geheimdienst und von der CIA… Die machen dann Blogs und versuchen, Meinungen zu beeinflussen, kommentieren und so weiter. Das ist natürlich auch stärker oder besser zu steuern, als mit Bots. Weil ich dann wirklich Menschen habe, die versuchen, Einfluss zu nehmen.

Trolle haben eine Wirkung auf die Öffentlichkeit

Klingt alles weit weg? Schön wär’s. Die EU hat 2015 eine eigene Taskforce gebildet: „Strategisches Kommunikationsteam Ost“. Deren Prognose nach der Auswertung von mehr als 2.500 Meldungen: Das wird noch schlimmer. Man rechnet unter anderem mit einer strategischen, gezielten Desinformationskampagne gegen Merkel. Auch der Verfassungsschutz hatte im Dezember gewarnt, Russland könnte durch öffentliche Stimmungsmache den Bundestagswahlkampf beeinflussen. Und das gefährdet mehr, als nur den Wahlkampf, warnt der Kommunikationswissenschaftler Martin Emmer:

„In einer Öffentlichkeit gibt es immer gewisse Anforderungen an das Gegenüber, die man dem Gegenüber erstmal unterstellen muss. Man muss ihm unterstellen, dass er das, was er sagt, auch meint. Also: Wahrhaftigkeit, Wahrheit, Richtigkeit, dass man auf einem gemeinsamen Wertefundament steht, und so. Das sind alles Voraussetzungen dafür, dass man in so einen Kommunikationsprozess, der ja am Ende auch zu einer Klärung führen soll, einsteigen kann. Diese Voraussetzungen für Kommunikation sind streng genommen überhaupt nicht gegeben, wenn ich es mit solchen Trollen oder Bots zu tun habe. Weil da die Motive, die Interessen, auch die Richtigkeit von Fakten überhaupt nicht klar – sondern im Gegenteil ganz gezielt manipuliert sind. Insofern: Je größer der Anteil solcher Beiträge in einer öffentlichen Debatte ist, umso stärker wird natürlich Öffentlichkeit generell in Frage gestellt.“

Hilft ein Verbot gegen Trolle, Influencer und Evangelisten?

Was also tun? Verbieten? Liegt ja nahe. Und ist auch so schön einfach. Bringt aber nichts, glaubt Martin Emmer:

„Ich glaube nicht daran, dass man mit Verboten oder staatlicher Kontrolle da viel erreichen kann. Man kann sich natürlich durchaus Gedanken machen über bestimmte Normen. Wir haben in Deutschland ja auch ganz gute Erfahrungen mit sowas wie Selbstverpflichtungen, Selbstregulierungen. Es gibt ja nicht viele gesetzliche Regeln für Medienkommunikation in Deutschland. Sehr viel mehr wird da wirklich über öffentlichen Druck, über Selbstverpflichtung, über öffentliche Thematisierung geregelt. Das kann man durchaus versuchen. Es gibt ja schon erste Versuche, zum Beispiel, dass sich die Parteien verabreden, für den kommenden Wahlkampf auf bestimmte Technologien zu verzichten. Das halte ich erstmal für sinnvoll. Und ansonsten brauchen wir eine robuste und starke Öffentlichkeit, die sich eben nicht so leicht verunsichern lässt. Und die weiterhin ihre Werte hochhält. Und die solche Probleme offensiv thematisiert, und sie damit auch ihrer Wirksamkeit zum großen Teil beraubt."

Mit anderen Worten: das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Medien. Kultur. Politik. Sportverbände. Unternehmen. Musik und Kunst. Sie alle müssen dafür sorgen, dass wir dieses Thema nicht aus den Augen verlieren. Das kann gelingen – doch an der Stelle liegt der Ball zunächst mal im Feld der sozialen Netzwerke, findet Karolin Schwarz. Sie ist einer der Köpfe hinter dem Projekt Hoaxmap, einer Deutschlandkarte, auf der widerlegte Gerüchte über Geflüchtete gesammelt werden:

„Es gibt ja gesetzliche Regelungen, die da greifen. Die müssen dann aber auch durchgezogen werden. In vielerlei Hinsicht müssen Plattformbetreiber an dieser Stelle ansetzen. Auf Meldungen reagieren und die Prozesse auch durchsichtiger machen, meine Meinung nach – zumindest bei Facebook ist das ja oft nicht nachvollziehbar. Twitter macht einfach gar nichts; das ist irgendwie nachvollziehbar, aber teilweise so schwierig, dass sich einzelne User wegen des ganzen Hasses von der Plattform verabschieden.“

Trolle und Influencer sind mächtig – da hilft nur Solidarität

Das sind keine einzelnen Freaks mehr. Sie sind mächtig. Daran müssen wir uns gewöhnen. Und das müssen wir ernst nehmen. Die Mechanismen aufdecken. Nur braucht das seine Zeit. Umdenken und Neu-Lernen, das geht selten auf einen Schlag. Und vor allem passiert es im Stillen. Anders als die Arbeit der Trolle:

„Das sind natürlich Menschen, die sehr laut sind. Die teilweise auch dafür sorgen, dass sich andere Menschen nicht mehr zu Wort melden im Netz. Und darüber erhalten natürlich noch mehr Menschen den Eindruck, das wäre eben die Mehrheit. Das ist eine Vergiftung des Klimas im Netz, auf den Kommentarspalten, in den sozialen Netzwerken, die sehr problematisch ist. Nichts desto trotz muss der einzelne User auch schauen, dass er sich gegen Hass auch schützen kann. Natürlich erfordert das auch ein Stückchen Mut. Und nicht jeder kann sich diesem Hass aussetzen. Aber ich denke: so insgesamt braucht es da mehr Solidarität – und wenn man eben nur bei Facebook gute Kommentare und aufklärende Kommentare liked. Dann ist das schon auch ein Stückchen Unterstützung für den einzelnen, der schon aktiv ist.“

Wünscht sich Karolin Schwarz vom Projekt Hoaxmap.