Gerichtsurteil über Memorial

Memorial International

Am 16. Dezember entschied das Gericht, dass das Justizministerium mit der Eintragung von Memorial International in das „Agenten“-Register rechtmäßig gehandelt habe. Die Klage Memorials wurde abgewiesen.

Wer noch mit Hoffnung auf die Entscheidung des Moskauer Samoskworezkij-Stadtteilgerichts geschaut hatte, musste sich einmal mehr von der juristischen Wirklichkeit in Russland belehren lassen: Das Urteil passte sich mustergültig in die bisherige Rechtsprechung zu den „ausländischen Agenten“ unter Nichtregierungsorganisationen (NGOs) ein.

Knapp zwei Wochen zuvor hatte bereits das Tverskoi-Stadtteilgericht in Moskau Memorial International zu 4.370 Euro Geldstrafe verurteilt, weil die Organisation sich nicht freiwillig unter dem Stigma des „Agenten“, einem der bekanntesten verleumderischen Etiketten für die sogenannten „Volksfeinde“ und Andersdenkende in der Stalin-Zeit, registrieren ließ.

Das russische Justizministerium hatte am 30. September 2016 Memorial International, Partnerorganisation der Heinrich-Böll-Stiftung in Moskau, nach einer gut dreiwöchigen Überprüfung zum „ausländischen Agenten“ erklärt. Entscheidend war dabei für die Beamten des Ministeriums, dass Memorial Geld aus dem Ausland erhalten und politische Tätigkeit gezeigt habe. Diese bestand nach Auffassung des Ministeriums gerade auch in der Kritik Memorials am „Agenten“-Gesetz. Bei ihrer Entscheidung störten sich die Beamten des Ministeriums nicht an einem Gerichtsurteil des Verfassungsgerichts, das 2014 bestimmt hatte, dass internationale Organisationen nicht zum „Agenten“ erklärt werden könnten. Memorial International versteht sich selbst als in Russland registrierte internationale Organisation.

Memorial ist eine der ältesten zivilgesellschaftlichen Organisationen Russlands und setzt sich vor allem für die Erinnerung an die Opfer politischer Repression und die Wahrung der Menschenrechte ein. Memorial International ist die siebte Organisation des Memorial-Netzwerks, die zum „Agenten“ erklärt wurde. Der Vorsitzende von Memorial, Arsenij Roginskij, hat erklärt, dass die Organisation den Rechtsweg ausschöpfen und zugleich wie bisher weiterarbeiten werde. Allerdings erfordern die staatlichen Kontrollauflagen für Organisationen, die zum „Agenten“ erklärt wurden, eine umfangreichere bürokratische Arbeit. Zudem besteht die Gefahr, dass staatliche Behörden, Schulen oder Staatsangestellte wie Lehrer ihre Zusammenarbeit mit Memorial abbrechen.

Zuletzt hatte Memorial mit der Veröffentlichung einer Datenbank mit knapp 40.000 Namen von Mitarbeitern der sowjetischen Geheimpolizei NKWD in Russland für Aufsehen gesorgt und ablehnende wie zustimmende Reaktionen hervorgerufen.

Vermutlich auch aufgrund der folgenden hitzigen Diskussionen schrieb der frühere sowjetische Präsident Michail Gorbatschow Memorial einen Brief der Solidarität.