Flüchtlingskrise: Ein Test auf Europas Humanität und politische Handlungsfähigkeit

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Ein Geflüchteter in Budapest Anfang September 2015

Die Flüchtlingskrise ist ein doppelter Test für Europa: Stehen wir zu unseren humanitären Werten und sehen in den Geflüchteten Menschen in Not, die ein Recht auf sichere Zuflucht haben? Und findet die EU angesichts dieser Herausforderung zu gemeinsamem Handeln oder zerfrisst der nationale Egoismus die europäische Gemeinsamkeit?

Ich verfolge die Ereignisse dieser Tage am Rande einer internationalen Demokratiekonferenz in Prag und bin fassunglos. Europa - welch ein Chaos! Die Bundesregierung auf Schlingerkurs, das Schengen-Regime der offenen Grenzen zerfällt, die europäischen Innenminister feilschen über Quoten, obwohl klar ist, dass sie kaum mehr als eine symbolische Aktion, aber keine nachhaltige Antwort auf die Flüchtlingskrise wären. Statt sich an die Bevölkerung zu wenden und ihre Politik zu erklären, schickt die Kanzlerin ihren hölzernen Innenminister vor, der im Fernsehen widersprüchliche Signale aussendet.

Will die Bundesregierung die Grenzen dichtmachen oder bloß Druck auf andere europäischen Regierungen ausüben, sich einer Quotenregelung nicht länger zu verweigern? Soll die unselige Drittstaatenregelung (Dublin) wieder in Kraft gesetzt werden, die von der Wirklichkeit längst überrannt wurde? Welchen Plan haben Merkel und Gabriel, welche europäische Lösung schlagen sie vor? Lavieren verschlimmert nur das humanitäre Drama und verstärkt die politischen Fliehkräfte in der Union.

Wer die EU in dieser kritischen Lage zusammenhalten will, muss zwei Anliegen miteinander verbinden: Die Wiederherstellung einer effektiven Kontrolle der europäischen Außengrenzen und legale Zugangsmöglichkeiten für Kriegsflüchtlinge nach Europa. Das eine gegen das andere auszuspielen ist töricht. Abschottung wäre inhuman und illusionär, eine komplette Öffnung der europäischen Grenzen für alle und jeden nicht zu bewältigen. Dazwischen muss ein Weg gefunden werden.

Das erfordert kurzfristiges und unkonventionelles Handeln. Dazu gehört die Einrichtung von Aufnahmezentren im Vorfeld der EU, in denen Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention registriert und weiterverteilt werden (hier macht die Quote Sinn), ebenso wie massive Invesitionen zur Verbesserung der Lebensbedingungen in den Flüchtlingslagern in der Türkei, im Libanon und Jordanien sowie mehr Unterstützung für die Grenzstaaten der EU, insbesondere für Griechenland. Ohne eine umfassende europäische Strategie werden wir diese Krise nicht meistern können. Es wird höchste Zeit für einen Flüchtlingsgipfel der Staats- und Regierungschefs, der so lange tagt, bis ein Konsens gefunden ist.