Intergenerationelle Weitergabe von Traumatisierungen im Kontext von Gewalt und Migration
Vor dem bisherigen Wissen um die mangelnde Fähigkeit von traumatisierten Eltern, sich adäquat in die Bedürfnisse ihres Kindes einzufühlen (vgl. Leuzinger-Bohleber, 2010), dem Wissen um unbewusste ‚Mechanismen’ der Weitergabe unverarbeiteter Traumatisierungen (vor allem aus der Shoah-Forschung; vgl. Kestenberg, 1989; Bohleber, 2009; Faimberg, 2009) sowie den daraus resultierenden Folgen für die nächste Generation (u.a. Rieck, 1991; Zilberfein, 1996; Danieli, 1998; Rowland-Klein und Dunlop, 1998; Kellermann, 2001; Gottschalk, 2003; Daud et al., 2005) möchte ich im Rahmen meines kumulativen Promotionsvorhabens die intergenerationellen Auswirkungen von Traumatisierungen in zwei spezifischen Kontexten untersuchen:
- im Kontext von kollektiver Verfolgung und Genozid im Nordirak (Veröffentlichung I) und
- im Kontext von Migration (Veröffentlichungen II und III).
Veröffentlichung I basiert auf meiner Diplomarbeit zur Situation von kurdischen Jugendlichen, deren Eltern während des Ba’ath Regimes im Nordirak schwere Formen von Gewalt und kollektiver Verfolgung erlebt haben.
Die Veröffentlichungen II und III untersuchen Mutter-Kind-Interaktionen von möglicherweise traumatisierten Migrantinnen in Deutschland und ihre Migrationserfahrungen. Folgende Fragen stehen im Zentrum der Veröffentlichungen II und III:
- Sind die Migrationserfahrungen von Migrantinnen mit traumatischen Erfahrungen assoziiert beziehungsweise wie sehen die Migrations- und Lebensumstände aus?
- Wie wirken diese sich auf die frühen Mutter-Kind-Interaktionen aus beziehungsweise werden Anzeichen für Mechanismen von intergenerationeller Weitergabe von Traumatisierungen schon in der frühen Mutter-Kind-Interaktion sichtbar?
Zusammengefasst sollen die Ergebnisse der Dissertation dem besseren Verständnis von Traumatisierungen und von intergenerationellen ‚Mechanismen’ der Weitergabe in diesen spezifischen, empirisch bisher kaum erforschten Bereichen (kollektive Gewalt im Nordirak, früheste Mutter-Kind-Beziehungen von potentiell traumatisierten Migrantinnen in Deutschland) dienen und aufzeigen helfen, in welchen Bereichen traumatisierte Familien spezifisch unter stützt werden müssen, damit ihre Kinder nicht im Schatten der Traumatisierungen ihrer Eltern aufwachsen, sondern sich gut entwickeln können und eine eigene und selbstbestimmte Zukunft haben.