Geologie und Geografie: Unterirdische Wälder

Kohle entsteht aus Biomasse – unter Wärme, Druck und Luftabschluss. Je älter, desto höher sind Kohlenstoffanteil und Energiegehalt. Vorkommen liegen auf allen Kontinenten. Ein Kapitel aus dem Kohleatlas. Jetzt kostenlos downloaden oder online lesen!

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Stein und Braunkohlevorkommen nach Fläche

Kohle ist ein bräunliches bis schwarzes Sedimentgestein, das aus organischem Material hervorgegangen ist. Ihr Ursprung liegt im Erdzeitalter Karbon, das vor rund 359 Millionen Jahren begann und vor 299 Millionen Jahren endete. Weil in diesen 60 Millionen Jahren viel Kohle entstand, erhielt das Zeitalter seine Bezeichnung von „carbo“, dem lateinischen Wort für „Kohle“. Es geht auf die indoeuropäische Wurzel *ker für „brennen“ zurück. Für „Kohle“ hat sich auch die Umschreibung „Glutsteine“ erhalten.

Im Karbon führten ein häufig warmes Klima sowie der hohe Sauerstoffgehalt von 35 Prozent in der Luft (heute: 21 Prozent) zu einem enormen Wachstum der Pflanzen. Riesige Wälder breiteten sich auf den Landmassen aus. Schuppenbaumgewächse, heute ausgestorben, streckten ihre Kronen bis zu 40 Meter in den Himmel. Verwandte der Schachtelhalme, heute unscheinbare Pflanzen an Ackerrändern, erreichten 20 Meter Höhe. Riesige Farne bildeten weite Sumpfwälder. Die Pflanzen bauten große Mengen an Biomasse auf. Unter Verwendung des grünen Pflanzenfarbstoffs Chlorophyll nutzten sie die Energie des Sonnenlichts, um aus Kohlendioxid und Wasserstoff organisches Material zu bilden. Erhebliche Mengen des Treibhausgases wurden gebunden und in Pflanzenbestandteile wie Lignin, Harze oder Eiweiße umgewandelt.

Mit dem Absterben der Pflanzen begann die erste Stufe im Prozess der sogenannten Inkohlung, der Umwandlung von Pflanzenmaterial in Kohle. Viele der Pflanzen versanken nach ihrem Absterben im Wasser. Sie verrotteten nicht, sondern bildeten unter der Abwesenheit von Sauerstoff Torf. Sedimente, etwa Ton oder Sand, überlagerten das organische Material und pressten unter hohen Temperaturen und mit Druck das Wasser heraus.

Der Kohlenstoffanteil nahm zu, aus dem Torf bildete sich die dichtere und festere Braunkohle. Die meisten Vorkommen sind jetzt 40 bis 50 Millionen Jahre alt und stammen aus dem Zeitalter der Dinosaurier, dem Tertiär, nach heutiger wissenschaftlicher Einteilung dem Paläogen. Braunkohle hat einen Feuchtigkeitsanteil von 45 bis 60 Prozent. In manchen Funden sind Pflanzenstrukturen erkennbar, etwa Wurzeln. Die heutige Steinkohle ist mit 250 bis 350 Millionen Jahren viel älter. Auch in ihren Brocken lassen sich noch die Zeugnisse vergangenen Lebens finden. Steinkohle hat einen Feuchtigkeitsanteil von 15 bis 20 Prozent.

Je höher der Gehalt an Kohlenstoff, umso höher ist auch der Energiegehalt und damit der Heizwert. In der Nutzung ist Steinkohle daher der Braunkohle überlegen. Die beste Sorte ist Anthrazit. Sie enthält kaum noch Wasser und andere Bestandteile und verbrennt fast rückstandsfrei. Einen höheren Kohlenstoffgehalt als Anthrazit haben in der Natur nur noch Grafit und Diamanten, beide meist vulkanischen Ursprungs.

 

Liebling der Schwerindustrie ist der Anthrazit. Sein Kohlenstoffgehalt kann bei über 90 Prozent liegen

Letztlich ist Kohle Millionen Jahre alte Sonnenenergie, konserviert in Pflanzenresten. Der Energiehistoriker Rolf Peter Sieferle nannte Kohlevorkommen darum auch „unterirdische Wälder“. Wie Erdöl und Erdgas gehören Stein- und Braunkohle zu den fossilen Brennstoffen. Die Bezeichnung „fossil“ weist darauf hin, dass sie in geologischer Vorzeit entstanden und aus organischem Material hervorgegangen sind. Kohlen sind pflanzlichen Ursprungs, Erdöl und -gas gehen auf Kleinlebewesen zurück, deren Überreste sich auf dem Meeresboden abgelagert haben. Der Entstehungszeitraum vor 400 bis 100 Millionen Jahren streut ebenso wie der der Steinkohle, und jüngere Vorkommen wie das Nordseeöl entstammen wie die Braunkohle dem Paläogen.

 

Nach etwa 60 Millionen Jahren Lagerung entsteht Steinkohle – in geologischen Zeiträumen ist das kaum mehr als ein Moment

Auf 968 Gigatonnen (968 Milliarden Tonnen) schätzt die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe die weltweiten Reserven an Kohle; als Reserven werden Vorkommen bezeichnet, die mit heute verfügbarer Technik wirtschaftlich und gewinnbringend gefördert werden können. Beinahe acht Gigatonnen hat die Menschheit allein im Jahr 2013 abgebaut und verfeuert. Das sind 253 Tonnen pro Sekunde. Neben den Reserven gibt es auch die Ressourcen, gewaltige Vorkommen, die nachgewiesen, aber nicht wirtschaftlich zu erschließen sind. Die weltweiten Ressourcen an Braunkohle und Steinkohle zusammen werden mit 22.000 Gigatonnen angegeben.

Die größten Lagerstätten der wirtschaftlich bedeutsameren Steinkohle finden sich in Asien und Australien, in Nordamerika und der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). Über die größten Hartkohlereserven (Steinkohle und Anthrazit) verfügen mit etwa 223 Gigatonnen die USA. Es folgen China mit 121 und Indien mit 82 Gigatonnen. 2013 gewann China mit rund 3,7 Gigatonnen Steinkohle mehr als die Hälfte der weltweiten Fördermenge, gefolgt von den USA mit einem Anteil von zwölf Prozent und Indien mit acht Prozent. Etwa 20 Prozent der geförderten Steinkohle wird weltweit gehandelt.

Hingegen wird Braunkohle aufgrund ihrer schlechteren Transporteigenschaften und des geringen Energiegehaltes nur im Umkreis der Tagebaue verfeuert, in denen sie gewonnen wird. Weltweit fördern 37 Länder Braunkohle, doch stellen nur elf davon insgesamt 82 Prozent der Weltproduktion her. Größter Produzent war 2013 mit 183 Millionen Tonnen Deutschland, gefolgt von China und Russland. In Deutschland stieg die Verstromung von Braunkohle nach dem Atomausstieg stark an, was die Klimabilanz des Landes deutlich verschlechterte. 2014 haben erneuerbare Energien die Braunkohle erstmals von Platz eins in der deutschen Stromerzeugung verdrängt, wenn auch nur knapp.

 

Einst sollten Karten von Kohle-Lagerstätten Reichtümer zeigen. Heutzutage stellen sie potenzielle Problemzonen dar

Anders als das Erdöl gilt Kohle offiziell nicht als knapp. Auf Dauer wird sie weniger genutzt werden, weil die Atmosphäre nur begrenzt CO2 aufnehmen kann. Die Energy Watch Group, ein internationales Netzwerk von Fachleuten, hält die amtlichen Schätzungen über die Kohlevorräte aber auch für zu hoch. Weltweit würden die Reserven fortlaufend nach unten revidiert, von 1980 bis 2005 allein um die Hälfte, und das trotz erhöhter Schätzungen für Indien und Australien. Die Gruppe erwartet das weltweite Maximum der Förderung schon für das Jahr 2020.