Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag 2015

Es ist wieder so weit: alle fünf Jahre versammelt sich die Staatengemeinschaft zur Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages. Ein Überblick zur Geschichte sowie zur aktuellen Bedeutung der Konferenz und der Frage, wie es mit dem Nichtverbreitungsvertrag weiter geht.

Atomtest 1957 in Nevada
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Atomtest 1957 in Nevada, USA

Dem Atomwaffensperrvertrag von 1968 ist es zu verdanken, dass es heute „nur“ neun Atomwaffenstaaten gibt. Potentiell könnte jeder Staat heute Atomwaffen herstellen, wie das bitterarme und isolierte Nordkorea zeigt. Daher spielen politische und rechtliche Hürden zur Weiterverbreitung eine weit größere Rolle als technische Hindernisse. Doch das Nichtverbreitungsregime ist in Gefahr und verdient unsere volle Aufmerksamkeit.

Nachdem die USA und die Sowjetunion Atomwaffen entwickelt hatten, folgten alsbald auch Großbritannien, Frankreich und China. Die ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates bemühten sich, den Atomwaffenbesitz auf ihren Kreis zu beschränken und handelten mit den übrigen Staaten den Atomwaffensperrvertrag aus (auch Nichtverbreitungsvertrag NVV, oder Non-Poliferation-treaty NPT). Die Idee ist simpel: Die Staaten ohne Atomwaffen verpflichten sich, niemals Atomwaffen zu entwickeln, während die Atomwaffenstaaten versprachen, „frühzeitig“ abzurüsten. Gleichzeitig haben alle ein Anrecht auf die friedliche Nutzung der Kernenergie, unter Aufsicht der International Atomenergie-Organisation (IAEO).

Der NPT erkennt nur Atomwaffenstaaten an, die vor seiner Unterzeichnung Atomtests durchgeführt haben. Diese Regelung ist nicht besonders fair, aber erfolgreich: Weltweit sind alle atomwaffenfreien Staaten dem NPT beigetreten, um die Grundsätze der Nichtverbreitung und Abrüstung zu unterstützen. Nur vier Staaten verbleiben außerhalb des NPT, da sie Atomwaffen entwickelt haben: Indien, Israel und Pakistan, während Nordkorea 2003 austrat. Um dem NPT beitreten zu können, müssten sie zunächst abrüsten, wie es Südafrika, Weißrussland, Kasachstan und die Ukraine vorgemacht haben.

Alle fünf Jahre trifft man sich zur Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrags in New York, um den Stand der Umsetzung zu erörtern. Diese Konferenzen drehen sich um einen fundamentalen Konflikt, der die Vertragsstaaten spaltet. Die Mehrheit der Staaten pocht auf nukleare Abrüstung, während die Atomwaffenstaaten auf Zeit spielen. Zwar haben alle ein Interesse daran, die weitere Verbreitung von Atomwaffen zu verhindern. Dieses Verbot bröckelt aber, wenn die andere Seite der Abmachung nicht eingehalten wird: 45 Jahre nach Inkrafttreten des Vertrages gibt es immer noch 16.000 Atomwaffen.

Neuausrichtung der Nukleardiplomatie

Die am 27. April 2015 beginnende Konferenz wird entscheidend sein für die zukünftige Neuausrichtung der Nukleardiplomatie.  Dabei spitzt sich der Konflikt innerhalb des NPT zu – es haben sich seit 2010 beide Lager radikalisiert: Während US-Präsident Obama seinerzeit in seiner berühmten Prager Rede die Vision einer atomwaffenfreien Welt verkündete, haben alle Atomwaffenstaaten die Modernisierungspläne ihrer Arsenale seitdem massiv ausgeweitet, allein die USA wollen in den nächsten 10 Jahren dafür 355 Milliarden Dollar ausgeben. Entgegen den Erwartungen haben die USA und Russland nach 2010 keine bilaterale Reduktion ihrer Arsenale vereinbaren können, obwohl dies selbst im Kalten Krieg möglich war. Stattdessen wird auf die instabile geopolitische Lage verwiesen und Russland setzt zunehmend auf nukleare Drohgebärden.

Die Atomwaffenfreien Staaten sind ebenfalls kämpferischer als noch 2010. Sie stellen den bisherigen sicherheitspolitischen Diskurs um Atomwaffen grundlegend in Frage. Um die Atomwaffendebatte zu versachlichen haben Norwegen, Mexiko und Österreich drei Konferenzen über die humanitären Auswirkungen von Atomwaffen ausgerichtet. Dort wurden die Folgen nuklearer Detonationen analysiert. 155 Staaten schlossen sich darüber hinaus der humanitären Initiative an, die fordert, humanitäre Erwägungen ins Zentrum der Diskussion zu stellen.

Die sogenannte humanitäre Initiative setzt die Atomwaffenstaaten unter Legitimationsdruck: Sie hat wissenschaftlich einwandfrei herausgearbeitet, dass Atomwaffenstaaten ihre angebliche Sicherheit auf Kosten der Sicherheit aller anderen verteidigen. Darüber hinaus wurde die Existenz einer Rechtslücke festgestellt: Atomwaffen sind die einzige Massenvernichtungswaffe, die keinem eindeutigen völkerrechtlichen Verbot unterliegt – obwohl auch Landminen und Streumunitionen aufgrund ihrer humanitären Auswirkungen schon verboten wurden.

Deutschland und anderen NATO-Staaten kommt dabei besondere Aufmerksamkeit zu, da sie zweigleisig fahren: Einerseits stützen sie ihre Sicherheit auf „erweiterte Abschreckung“, also das Versprechen der USA, ihre Alliierten unter Einsatz von Atomwaffen zu verteidigen. Im Falle Deutschlands ist dies auch mit der Stationierung von Atomwaffen auf deutschem Boden verbunden, was in den Augen vieler Staaten gegen den NPT verstößt. Andererseits hat sich Deutschland in der Vergangenheit immer wieder für nukleare Abrüstung stark gemacht. Es wird also spannend sein zu sehen, wie Deutschland seine Beteiligung an der Abschreckungspolitik und sein Bekenntnis zum humanitären Völkerrecht zukünftig ausgleichen wird.

Nukleare Abrüstung ausgeblieben

Konkret wird sich der Streit an der mangelnden Umsetzung des „NPT-Aktionsplans“ entzünden. Dieser wurde 2010 per Konsens von allen NPT-Vertragsstaaten angenommen und enthält 64 Schritte, von denen allerdings nur diejenigen zur Nichtverbreitung zufriedenstellend umgesetzt wurden, während Schritte zur nuklearen Abrüstung fast gänzlich ausbleiben.  Wie wird die Staatengemeinschaft mit der enttäuschenden Umsetzung des Aktionsplanes umgehen? Ein einfaches ‚weiter so‘ und neue Abrüstungsversprechen werden kaum größere Glaubwürdigkeit genießen als in der Vergangenheit – unter anderem deshalb, weil vier der neun Atomwaffenstaaten gar nicht teilnehmen. Es ist also klar, dass der NPT durch weitere Vertragswerke ergänzt werden muss, um die Abrüstungsverpflichtung zu konkretisieren, wie es Artikel 6 fordert. Daher werden Rufe immer lauter, einen Vertrag zum Verbot von Atomwaffen zu verhandeln, notfalls auch ohne die Atomwaffenstaaten. Wenn die Mehrheit der Staaten einen solchen Vertrag ratifiziert, würden Atomwaffen völkerrechtlich stigmatisiert. Investitionen seitens internationaler Banken würden erschwert und neue politische Debatten in den Atomwaffenstaaten angeregt.

Kommt mit dem "Austrian Pledge" das Verbot von Atomwaffen?

Die Mühlen der Diplomatie mahlen langsam, aber nach 45 Jahren ist die 2015er NPT-Überprüfungskonferenz die letzte Chance für den durch die Atomwaffenstaaten bevorzugten Ansatz, Abrüstungsverhandlungen auf den NPT zu reduzieren, obwohl dieser primär auf Nichtverbreitung ausgerichtet ist. Scheitert diese Konferenz am 22.05.2015, dürfte die Geduld der atomwaffenfreien Staaten endgültig erschöpft sein. Österreich hat sich verbürgt, das Verbot und die Abschaffung von Atomwaffen mit allen relevanten Akteuren voranzubringen: 68 Staaten haben sich dem „Austrian Pledge“ bereits angeschlossen. Diese Staaten können  anlässlich des 70. Jahrestag der Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki Verhandlungen über ein Verbot von Atomwaffen beginnen - und damit ein neues Kapitel in der nuklearen Abrüstung aufschlagen.