Indischer Bundeshaushalt vorgestellt

Mitte Juli stellte die neue Modi-Regierung in Indien ihren ersten Staatshaushalt vor. Besonders mutig war er nicht, findet Avani Tewari.

Am 10. Juli stellte der Finanzminister den ersten Staatshaushalt der neu gewählten Modi- Regierung vor – vor dem Hintergrund von mäßigem Wirtschaftswachstum, geringem Investorenvertrauen, hoher Inflation, steigender Leistungsbilanz- und Haushaltsdefizite und schwachen Konjunkturzahlen. Vor allem in guten Zeiten ist die Vorstellung des Haushalts in Indien immer ein Ereignis, das in diesem Jahr von der indischen und der internationalen Wirtschaft mit besonderem Interesse begleitet wurde, sollte es doch einen Hinweis darauf geben, was von der neuen Regierung wirtschaftspolitisch zu erwarten ist: Würde der neue Haushalt den Karren der indischen Wirtschaft aus dem Dreck ziehen, in den die Vorgängerregierung ihn gefahren hatte?

Der Haushalt ist ein wichtiges Instrument, mit dem die Regierung zeigt, wie sie ihre Pläne umsetzt, die Einnahmen zu erhöhen und wie sie die Gelder zur Erreichung seiner politischen Ziele verteilt. Der Haushalt lässt auch Rückschlüsse auf den Zustand der Wirtschaft zu. In Indien präsentiert der Finanzminister den Haushalt in Form einer Einnahmen- und Ausgabenaufstellung und der Haushalt muss vom Parlament abgesegnet werden, bevor er in Kraft treten kann.

Warum ist der erste Haushalt wichtig?

Der erste Haushalt einer neuen Regierung hat eine wichtige Signalfunktion: Er zeigt, wie ernst es die Regierung mit den ökonomischen Reformen meint, die sie im Wahlkampf angekündigt hat. Er zeigt aber auch, wie viel die Regierung in die Sozialpolitik investieren will und wie das Geld, das durch Steuern eingenommen wird, ausgegeben werden soll. Den ersten Staatshaushalt des unabhängigen Indien stellte R.K. Shanmukham Chetty am 26. November 1947 vor – seitdem wird er jährlich präsentiert.

Während des Wahlkamps der BJP hatte Narendra Modi versprochen, er werde die ins Schlingern geratene indische Wirtschaft wieder auf Kurs bringen. Versprochen hatte er auch Infrastrukturreformen und eine neue Sozialpolitik, die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Senkung der Inflationsrate. Nach der Wahl hofften die Inder, die neue BJP-Regierung werde ihre Wahlversprechen halten. Die The Times of India schrieb zu den Erwartungen an das erste Budget der Modi-Regierung:
 

„Meist sind die ersten Staatshaushalte eher wenig beeindruckend, denn die neue Regierung ist noch in der Orientierungsphase. Die Modi-Regierung ist jedoch mit einem breiten Mandat und mit dem Versprechen großer Veränderungen ins Amt gekommen. Sie muss daher mit der üblichen Praxis von Regierungen brechen – nämlich den Staatshaushalt als ein Vehikel zur Verteilung von Wahlgeschenken zu behandeln und mit exzessiven Ausgabenprogrammen die Nachfrage einiger weniger zu befeuern. Die Modi-Regierung muss stattdessen den Schwerpunkt auf die Angebotsseite legen.“[1]

 

Positive Aspekte des ersten Haushalts

Der Haushalt, den der indische Finanzminister Arun Jaitley vorstellte, weist einige positive Züge auf. Zunächst einmal ist hier der Versuch zu nennen, ein stabiles politisches Umfeld zu schaffen, denn die Einführung einer rückwirkenden Besteuerung durch die Vorgängerregierung hatte wesentlich zur Abschreckung ausländischer Investoren beigetragen. Der Finanzminister ließ wissen, die Regierung werde das Thema rückwirkende Besteuerung sehr vorsichtig angehen, da man sich der Auswirkungen einer solchen Maßnahme auf die Wirtschaft und das Investitionsklima insgesamt bewusst sei. Der Regierung sei es sehr daran gelegen, ein stabiles und durchschaubares Steuersystem sicherzustellen, das anlegerfreundlich ist und das Wachstum ankurbelt. Der Haushalt sieht die Einführung einer einheitlichen Goods and Services Tax (GST) vor, ein Vorhaben das hohe Priorität hat, da es die Vorgängerregierung nicht geschafft hatte, hier alle Bundesstaaten ins Boot zu holen. Die Liberalisierung der ausländischen Direktinvestitionen (FDI) in den Bereichen Versicherung und Verteidigung, Wachstum sogenannter intelligenter Städte und des e-Commerce Sektors kann ebenfalls spürbare wirtschaftliche Auswirkungen nach sich ziehen. Diese Maßnahmen sollen dazu beitragen, dass das Wirtschaftswachstumsziel von 7 bis 8 % in den kommenden 3 bis 4 Jahren erreicht wird.

Journalisten, Unternehmer und Wirtschaftswissenschaftler bewerteten den neuen Haushalt sehr unterschiedlich, insbesondere was das Potenzial des Budgets betrifft, die indische Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs zu bringen. Einige Kommentatoren sahen keinen wesentlichen Unterschied zwischen diesem Haushalt und denen der Vorgängerregierungen, während andere in dem Budget durchaus den Willen der BJP erkannten, die Wahlversprechen zu halten. Im Hindu hieß es dazu:

„Der erste Haushalt des Bundesfinanzministers Arun Jaitley signalisierte zwar kühne Schritte der Modi-Regierung, die Versprechen des Wahlkampfes zu verwirklichen. Wie genau das passieren sollte, wurde allerdings nicht erklärt. In gewisser Weise zeigte der Haushalt auch eine starke Kontinuität mit der Politik der UPA-Regierung.“[2]

Maßnahmen wie die Einführung der Goods and Services Tax, öffentliche Investitionen in verschiedenen Sektoren, Liberalisierung der FDI in den Bereichen Verteidigung und Versicherung, der Start neuer Projekte und die Modernisierung der Infrastruktur werden durchaus positiv gesehen, da sie den Rahmen für eine stabile Wirtschaft schaffen. So kommentiert der Hindu:

„Der Finanzminister hat einen realistischen Haushalt vorgestellt, der den Boden für Wirtschaftswachstum – den Kern der Wirtschaftspolitik – bereitet und das richtige Klima für Investition und Stabilität schafft.“[3]

In einem anderen Beitrag im Hindu heißt es, der Haushalt seit gut für die langfristige Entwicklung des Landes:

„Der Haushalt 2014-15 macht Hoffnung für die einheimische Wirtschaft, da er sich auf mittelfristige statt auf kurzfristige Ziele konzentriert. Arun Jaitley hat finanzpolitische Vernunft gezeigt, indem er generationsübergreifende Gleichheit wahrt. Auch der Vorschlag, einen Ausgabenmanagement-Ausschuss einzurichten, weist in die Zukunft. Die Ankündigung der Einführung der Goods and Services Tax und der vorsichtige Umgang mit rückwirkenden Steuern haben die Erwartungen der Menschen erfüllt.“[4]

 

Kritik am ersten Haushalt

Allerdings gibt es auch Kritik am ersten Haushalt der Modi-Regierung. Das Budget, so der Vorwurf, trage in keiner Weise zur Belebung der Wirtschaft bei und es seien keine bedeutenden Veränderungen gegenüber der Wirtschaftspolitik der Vorgängerregierung UPA zu erkennen. In The Asian Age heißt es:

„Marktfundamentalisten versuchen, ihre Enttäuschung zu verbergen, dass der erste Haushalt einer BJP-geführten Regierung, in der die Safran-Partei eine klare Mehrheit hat, die Fesseln des im UPA Stil geführten Wirtschaftsregimes, nicht abstreifen konnte und dass die neue Regierung weder ‚strukturelle‘ Veränderungen vornahm, noch der Wirtschaft eine neue Richtung gab.”[5]

Der frühere Handelsminister Anand Sharma bezeichnete den Haushalt als „uninspiriert“ und „fade“ und kritisierte die geplante Förderung ausländischer Direktinvestitionen als zu lasch:

„Die Ankündigung einer Deckelung bei 49 % mit signifikanter indischer Kontrolle wird keinen ausländischen Anleger dazu bringen, in Indien zu investieren.“[6]

Meiner Ansicht nach geht der erste Haushalt der neuen Regierung einen soliden Mittelweg – er geht die Themen Wirtschaftswachstum und Beschäftigung, hohe Inflation, Modernisierung der Infrastruktur, sowie steigendes Haushaltsdefizit an. Angesichts ihres umfassenden Mandats, einer kaum existenten Opposition und keiner einzigen Parlamentswahl in den kommenden fünf Jahren, hätte die neue Regierung jedoch ruhig etwas kühnere politische Initiative ergreifen können, da sie vorerst keine nachteiligen Konsequenzen fürchten muss.

 

[1]The Times of India, „Union Budget will indicate if Jaitley has a supply side view that differs from UPA’s economic vision“, The Times of India, 8. Juli 2014

[2] Puja Mehra, „Cautious Start“, The Hindu, 11. Juli 2014

[3] Sanjiv Goenka, „A first step towards a dynamic economy“, The Hindu, 12. Juli 2014

[4] Ajay S Shriram, „An Impressive Debut“, The Hindu, 11. Juli 2014

[5] The Asian Age, „Jaitley’s Budget is Work in Progress“, The Asian Age, 12. Juli 2014

[6] The Times of India, „Budget 2014:NDA has reworked UPA’s schemes: Congress“, The Times of India, 11. Juli 2014