
Ähnlich wie Kommunal- oder Landtagswahlen in Deutschland waren diese in Israel vor einigen Tagen ein Indiz für den Zustand der politischen Parteien im Land. Was diese Wahlen für die nationale Politik bedeuten, wird sich noch zeigen. Allerdings gilt auch für Israel, dass kommunale Wahlen in erster Linie vor Ort entschieden werden. Außer der nicht unbedeutenden Tatsache, dass es der linken Meretz-Partei gelungen ist, besser abzuschneiden als vor 5 Jahren und einen kleinen Stimmenzuwachs zu verbuchen, haben sich die Mehrheitsverhältnisse als relativ stabil erwiesen. Jede der größeren Parteien unterstrich während des Wahlkampfes ihr spezifisches Profil.
So betonte Likud, dass sie die Sieger in den städtischen Zentren stellt, HaBayit HaYehudi, Naphtali Bennetts Jüdisches Haus, die Stimme der Peripherie sei und Yesh Atid die Stimme des Mittelstands in Israel. Und alle können sich als Sieger fühlen. HaBayit HaYehudi gewann 28 Sitze in den Gemeindeparlamenten dazu, Yesh Atid war bisher nicht vertreten und stellt nun auf Anhieb vier Bürgermeister im Land.
Selbst die krisenerschütterte, durch den Tod ihres geistigen Anführers Rabbi Ovadia Yosef vor einer möglichen Spaltung stehende religiöse Shas-Partei konnte landesweit einen Stimmengewinn von 20 % verbuchen. Bestätigt wurde auch eine Reihe von altbewährten Bürgermeistern, wie in Tel Aviv, wo der Knessetabgeordnete Nitzan Horowitz einen Achtungserfolg von 38 % erzielen konnte. Horowitz, der als Meretzkandidat und bekennender Schwuler als Repräsentant des weltoffenen Milieus in Tel Aviv gelten kann, konnte seine Popularität einsetzen, hatte aber gegen den alten, der Arbeiterpartei nahestehenden, Bürgermeister Ron Huldai keine wirkliche Chance. Auch der Kampf der arabisch- israelischen Abgeordneten Haneen Zoabi (Balad) in Nazareth, den langjährigen Bürgermeister abzulösen, gelang nicht.
Überhaupt ist der Frauenanteil an den Bürgermeisterämtern nachwievor sehr gering. Zwar war die Zahl der Bewerberinnen für das Amt des lokalen Amtsträgers mit 40 Bewerberinnen sehr hoch, gewählt wurden allerdings nur vier. Der Anteil von 16 % weiblichen Stadträten ist seit 2008 konstant geblieben. Dramatisch ist die Situation in Jerusalem, wo der Frauenanteil von 26 % (31 Vertreterinnen) auf gerade mal 13 % (4 Vertreterinnen) fiel. In dem orthodox religiös dominierten Bnei Brak ist keine Frau im Stadtrat vertreten, während sicher der Frauenanteil in Be´er Sheva und Tel Aviv von 18.5 % auf 30 % bzw. von 26 % auf 35 % erhöht hat.
Die israelischen Parteien sind nicht nur Instrumente einer bestimmten weltpolitischen Anschauung, sie stehen auch für jeweils einen bestimmten Sektor der Gesellschaft. Dies bedeutet wiederum, dass die Verlierer sich als Minderheiten nicht mehr repräsentiert sehen. Das gilt zum Beispiel für die säkulare Bevölkerung in Beit Shemesh, wo die Orthodoxen die Mehrheit haben, ebenso wie für die minoritären russischen Immigranten in Nazareth. Durch ihre Unterrepräsentanz sind diese Minderheiten von weitreichenden Entscheidungen für die Zukunft der Städte und Gemeinden ausgeschlossen. Ähnlich wie bei weiblichen Kandidatinnen, die sich in der Knesset durch das Komitee zum Status von Frauen eine Lobby geschaffen haben, sind die Einflussmöglichkeiten der eigenen Klientel (die sich oft nach kulturell-ethnischer Zugehörigkeit bemisst) für den Erfolg in der Politik mit entscheidend.
Dass diese lokale Einflussebene mittlerweile auch für die nationale Politik von Interesse sein könnte, zeigt das Beispiel Jerusalem. Ausgerechnet Avigdor Liebermann, der israelische Außenminister im Wartestand, setzte bei dieser Wahl seinen politischen Einfluss einem Test aus und unterstützte den nicht sehr aussichtsreichen Gegenkandidaten in der Jerusalemer Bürgermeisterwahl, Moshe Lion. Diese Kampagne war ungewöhnlich, weil es bisher nicht üblich war, dass Politiker auf der nationalen Ebene sich in lokale Wahlkämpfe einmischen. Und er hatte bei diesem Kampf einen ebenfalls ungewöhnlichen Bündnispartner: Aryeh Deri, der Shas-Vorsitzende, somit der Führer der größten religiösen Partei in Israel, dessen oberstes Ziel die Verhinderung der Wehrpflicht für die Ultra-Orthodoxen ist und der diesen Coup zur Schwächung der Regierung nutzen wollte. Für einen Säkularen wie Liebermann eine eher ungewöhnliche Partnerschaft. Das Kalkül, mit diesem Bündnis die haredische Wählerschaft in Jerusalem für seine eigene Popularität einzusetzen und den eigenen Einfluss zu stärken, ging nicht auf.
Mit einiger Schadenfreude haben daher die Kommentatoren die Niederlagen dieser „combina“ (aus dem hebräisch-spanischen Ladino, ein unsauberer Deal) kommentiert. Sie gelten als die eigentlichen Verlierer der Wahl. Das Scheitern dieses Versuchs, die kommunale Ebene für eine persönliche Profilierung auf nationaler Ebene zu nutzen, wird mit Befriedigung zur Kenntnis genommen.
Dennoch könnte dies Folgen für die Regierung Netanyahu haben. Die Tatsache, dass Liebermann offensichtlich bereit ist, seinen schwindenden Einfluss auch mit ungewöhnlichen Mitteln und seltsamen Bündnispartnern aufzupolstern, lässt befürchten, dass ihm jedes Mittel recht ist, diesen Einfluss auch gegen die Koalition und das Bündnis seiner Partei Yisrael Beyteinu mit dem Likud wieder zu gewinnen und damit die Regierungskoalition leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Und das zu Zeiten, wo der Regierung unter Netanyahu ein stürmisches politisches Jahr bevorsteht. Um die Gesetzgebung zur Militärpflicht der Haredim durchzusetzen, bedarf es starker Mehrheiten gegen die Opposition der religiösen Parteien und Gruppen. Und nicht zuletzt wird diese Regierung auch an dem Gelingen oder dem Scheitern der Friedensgespräche gemessen werden.