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Frauen in Führungsrollen: Eine Fallstudie aus Kambodscha

Zusammenfassung

 

In einer Landgemeinde der Provinz Kratie trafen sich Frauen, die für mehr Gleichberechtigung eintraten und den Frauen in ihren Gemeinden neue Rollen und neue Möglichkeiten zu eröffnen suchten. Gemeinsam gelang es ihnen überkommene Rollenbilder abzuschütteln und auf neue Art öffentlich und gesellschaftlich aktiv zu werden. Sie schufen so ein Netzwerk, dass das Selbstvertrauen und die Befähigungen von Frauen stärkt.

Mit Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen und der Nutzung der seit den Kommunalwahlen von 2002 erfolgten Dezentralisierung, bei der Verantwortung an Lokalpolitiker/innen übertragen wurden, gelang es diesen Frauen in kommunale Führungspositionen aufzusteigen. So wurde bei den Kommunalwahlen 2007 eine Frau zur Gemeindevorsteherin gewählt. In den Gemeinden selbst haben sich dadurch, nach Aussage der Frauen, die Einstellungen zur weiblichen Rollenverteilung und zum Verhältnis der Geschlechter gewandelt. Dies wiederum führte zu einem deutlichen Rückgang der häuslichen Gewalt, was in vielen Familien traurige Realität ist.

Diese Fallstudie zeigt, mit welchen Ansätzen es Frauen in der Praxis gelingen kann, in der Politik und in ihren Gemeinden eine aktive Rolle zu spielen und sich dabei für die Gleichberechtigung der Geschlechter stark zu machen. Aus diesem Grund führt die Heinrich-Böll-Stiftung seit 2008 eine Gesprächs- und Forschungsinitiative durch, um von den Versuchen und Erfolgen dieser Frauen und ihren Gemeinden zu lernen.

Aufbau von Frauennetzwerken

Der Einfluss auf die Lokalpolitik begann demnach mit dem Aufbau eines Netzwerks von Freiwilligen, welches Frauen dabei half an medizinische Versorgung und Aufklärung zu kommen. Vor allem ging es aber darum ihnen Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl zu geben und das Gefühl der Unzulänglichkeit und Unfähigkeit als Folge ihrer gesellschaftlichen Benachteiligung abzubauen. Frauen wurden ermutigt neue Aufgaben zu übernehmen, beispielsweise in Fischereiausschüssen, bei der Verwaltung der Reisreserven oder in Entwicklungsprojekten. Schon bald erreichte die Gruppe eine kritische Masse von bis zu 20 Frauen, die sich in verschiedenen Bereichen ihrer Gemeinden engagierten.

Das persönliche Engagement der Frauen trug erheblich dazu bei Führungspositionen zu übernehmen, aber führte auch zu notwendigen Veränderungen im privaten Bereich. Es brauchte Geduld und Geschick die Ehemänner dazu zu bringen, die neuen Rollen ihrer Frauen zu akzeptieren. Belohnt wurde dies schließlich durch das steigende Ansehen unter den weiblichen Mitgliedern ihrer Gemeinde. Sie sind Vorbilder geworden und haben bewiesen, dass sich Verhältnisse ändern lassen. Frauen wie Männer können ihre Rollen neu aushandeln und zufrieden und harmonisch miteinander leben.

Glaubwürdige und verantwortliche Akteurinnen in den Gemeinden

Während sich die Frauen leitende Positionen erarbeiteten, mussten sie sich vor allem dort mit Krisen auseinandersetzen wo Ressourcen der Gemeinde wie Waldland und Wasserquellen in Gefahr waren. Da sie zum Wohle der Gemeinschaft die Initiativen ergriffen und Risiken eingingen, gelang es ihnen die Dorfbewohner/innen davon zu überzeugen für ihre Rechte zu kämpfen, was sie zu glaubwürdigen und verantwortlichen Führerinnen ihrer Gemeinden werden ließ. Bemerkswert ist dabei, dass diese Frauen teils unterschiedlichen politischen Lagern angehören, diese Vielfalt jedoch nicht zu Spaltungen oder Spannungen geführt hat, sondern politische Meinungsverschiedenheiten in den Hintergrund traten und einer Zusammenarbeit nicht im Wege standen.

Die Frage nach der Gleichberechtigung der Geschlechter, und speziell auch der in Kambodscha weit verbreiteten häuslichen Gewalt gingen die Frauengruppen im Rahmen dieser Fallstudie unterschiedlich an: Einerseits wurden die Frauen in der Gemeinde ermutigt Gewalt anzuzeigen und die Hilfe der Gerichte zu suchen, anstatt wie bisher diese Form der Nötigung einfach zu erdulden und als Teil ihrer Rolle als Hausfrau zu begreifen. Wobei die Opfer häuslicher Gewalt die Erfahrung machten, dass jene Frauen, die leitende Positionen übernommen hatten, einfühlsamer agierten und, eher als ihre männlichen Kollegen, bereit waren mit ihnen nach Lösungen zu suchen. Andererseits sorgte das Frauennetzwerk für Bildungsangebote über Frauenrechte und stand bei schwierigen Fällen beratend zur Seite. Entscheidend war hier vor allem, dass häusliche Gewalt von einem rechtlichen Blickwinkel aus betrachtet wurde, das heißt als ein Gesetzesverstoß der von der Polizei mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zu verfolgen ist, inklusive Verhaftungen.

Vorbilder für die Mitglieder in den Gemeinden

Die in dieser Fallstudie vorgestellten Frauen in Führungspositionen sind nach wie vor Vorbilder für die Mitglieder in ihren Gemeinden und die Menschen dort schätzen ihre Arbeit, ihr akribisches Handeln und ihr Verantwortungsbewusstsein. Viele Menschen in den jeweiligen Gemeinden sprachen über die Veränderungen innerhalb der Familien, vor allem über die Ehemänner und deren Bereitschaft sich an Hausarbeiten wie Kochen und Waschen zu beteiligen, damit ihre Frauen reisen und politischen Aufgaben nachgehen können. Derartige Veränderungen regen andere Familien und vor allem Männer an, die bisherigen Geschlechterrollen ebenfalls zu überdenken. Doch auch wenn sich nicht bei allen Familien Veränderungen eingestellt haben und es in Einzelfällen zu häuslicher Gewalt kommt, so ist die Zahl der gemeldeten Fälle deutlich zurückgegangen. Zudem registrieren die Frauen, dass die Behörden auf ihre Beschwerden reagieren und diesen vermehrt nachgehen. Die aktuell verbliebenen Fälle häuslicher Gewalt, so eine Gemeindevorsteherin die zu Beginn ihrer Amtszeit fast täglich mit solchen Fällen konfrontiert wurde, seien vielschichtiger und tiefer verwurzelt. So ist laut dieser Studie vor allem der Alkoholismus bei Männern ein häufig uneingestandenes und vor allem zunehmendes Problem im Zusammenhang mit Gewalt gegen Frauen.

Zu Beginn der Studie im Jahre 2008 war die Bereitschaft der in der Öffentlichkeit aktiven Frauen über ihre Führungsrolle zu sprechen noch sehr gering und statt politischer Themen standen eher alltägliche Probleme wie fehlende Arbeit und der Zerfall von Familien im Vordergrund. Doch die seit 2008 steigenden Landpreise und der damit einhergehende Verkauf von Ländereien durch Familien, die nun als Landarbeiter leben, ließen das Phänomen des Landmangels in der nur noch  einflussreiche Personen in der Lage zu sein scheinen ihre Interessen zu schützen, zu einem erheblichen Problem heranwachsen. Durch Pachtverträge wurde darüber hinaus die Nutzung der Wälder, der den Dorfbewohnern bisher als Nahrungsquelle diente, erheblich eingeschränkt.

Genderfragen auf „Frauen- und Kinderangelegenheiten“ reduziert

Binnenmigration und Auswanderung haben in diesem Zusammenhang ebenfalls deutlich zugenommen, nicht zuletzt aufgrund von Medienberichten die junge Frauen dazu bringen als Hausangestellte oder Fabrikarbeiterin nach Malaysia oder Südkorea zu gehen. Dabei wird der Eindruck vermittelt, dass die involvierten Organisationen von der Regierung unterstützt würden und dies ein sicherer und unproblematischer Weg sei, um Geld zu verdienen. Die Probleme mit denen die jungen Frauen konfrontiert werden, ihre Einsamkeit und der fehlende rechtliche Schutz werden dagegen nicht thematisiert.

Wirft man nun einen genaueren Blick auf die kommunalen Verwaltungen Kambodschas, so erkennt man, dass zwar deren Zuständigkeiten erweitert wurden, die Verantwortlichen vor Ort jedoch keinen Einfluss auf die regionale Entwicklungspolitik haben. Bei Krisen stehen Kommunalpolitikerinnen keine Mittel zur Verfügung und sie können bestenfalls bei kleineren Infraktrukturprojekten mitreden. Auch hat mit der zunehmenden Dezentralisierung das Programm zum Gender-Mainstreaming zwar mehr Aufmerksamkeit gewonnen, doch führte dies zu einem veränderten Umgang mit Genderfragen im Allgemeinen: Statt eines Bewusstseins für geschlechtsspezifische Diskriminierung sowie der Notwendigkeit Frauen Selbstvertrauen und Selbstachtung zu geben, werden Genderfragen vorwiegend auf „Frauen- und Kinderangelegenheiten“ reduziert. Diese Form des Diskurs wird zudem über die offiziell mit Gender-Mainstreaming befassten Einrichtungen in Form von Workshops an die Frauen in den Kommunen verbreitet, ohne das die eigentlichen Folgen geschlechtsspezifischer Benachteiligung weiter untersucht oder bekämpft werden.

Beteiligung der Frauen vor Ort

Die Nichtregierungsorganisationen vor Ort leisten leider wenig Unterstützung diese negative Entwicklung zu beeinflussen. Statt den weiblichen Mitgliedern der Gemeinde Anregungen und Werkzeuge zu vermitteln fortschrittliche Ansätze des Gender-Mainstreaming in ihren Kommunen umzusetzen, scheinen sie gegenüber den offiziellen Institutionen resigniert zu haben. Dabei zeigen die im Rahmen dieser Studie gemachten Erfahrungen dass es möglich ist die Teilhabe von Frauen am gesellschaftlichen Leben und an Entscheidungen in den Gemeinden deutlich zu verbessern. Dazu müssen Frauen mobilisiert, Netzwerke aufgebaut, Selbstvertrauen hergestellt und Diskriminierung bewusst gemacht werden. Dies wiederum macht Frauen notwendig die umsichtig und, wie an diesen Beispielen zu sehen, erfolgreich als Vorbilder agieren.

Die Rollen der Geschlechter müssen persönlich, gesellschaftlich, kulturell und politisch weiterentwickelt werden um die erreichten Errungenschaften zu sichern. Zudem müssen unter Beteiligung der Frauen und Gemeinden vor Ort die Ergebnisse regelmäßig überprüft und Strategien angepasst werden. Sollten sich die Frauen, die Führungspositionen übernommen haben, darauf beschränken dem konservativen Programm, das ihnen von Institutionen vorgegeben wird, zu folgen, werden sie das hart erarbeitete politische und gesellschaftliche Kapital wieder verlieren.
 


Die englischsprachige Studie ist im Juli 2011mit Unterstützung der Heinrich-Böll-Stiftung Kambodscha erschienen.