Seit seiner Einführung und bis zum Ende der Apartheid war der Fußballsport in Südafrika starken politischen Einflüssen unterworfen, insbesondere dem Prinzip der Rassentrennung. Van der Merwe dokumentiert Südafrikas Teilnahme am internationalen Fußball und die politischen Motive und Bestrebungen, die sich hinter Südafrikas Bewerbung für die WM 2010 verbergen. -> Aktuelle Artikel, Publikationen und andere Veröffentlichungen über und aus Afrika.
Seit seiner Einführung und bis zum Ende der Apartheid war der Fußballsport in Südafrika starken politischen Einflüssen unterworfen, insbesondere dem Prinzip der Rassentrennung. Bereits 1892 wurde der ausschließlich weißen Südafrikanern vorbehaltene Fußballverband FASA gegründet; 1903, 1933 und 1936 folgten die Verbände South African Indian Football Association, South African Bantu Football Association und South African Coloured Football Association. In den Jahren 1930 bis 1962 nahm Südafrika nicht an der Fußball-Weltmeisterschaft teil, zwischen 1966 und 1992 war das Land sogar offiziell von der FIFA vom Wettbewerb ausgeschlossen.
Im Zentrum dieses Artikels steht Südafrikas Rolle im internationalen Fußball und die Teilhabe des Landes an der Fußball-Weltmeisterschaft, aus einer historischen und damit zwangsläufig auch apartheidspolitischen Perspektive. Dabei wird die Ausrichtung großer Sportereignisse in Südafrika bis zur Bewerbung um die Fußball-Weltmeisterschaft 2010 beleuchtet und untersucht, inwiefern derartige Großveranstaltungen seitens der Regierung und Wirtschaftselite des neuen demokratischen Südafrikas instrumentalisiert wurden.
Der Ausschluss Südafrikas vom internationalen Fußball
Zwar herrschte im südafrikanischen Sport von jeher eine informelle Politik der Rassentrennung, mit der offiziellen Einführung der Apartheid wurde diese jedoch auch auf dem Sportfeld gesetzliche Wirklichkeit. Alle sportlichen Aktivitäten mussten im Einklang mit umfassenden Richtlinien der so genannten „getrennten Entwicklung“ ausgeübt werden, eine Vermischung von Rassen war von nun an auch im Sport verboten. So genannte nicht-weiße Mannschaften durften nicht mehr gegen weiße Mannschaften antreten. Von ausländischen Mannschaften wurde erwartet, dass sie sich ebenfalls an die südafrikanischen Gesetze und Regeln hielten.
Dieser Prozess stand im krassen Gegensatz zur postkolonialen Entwicklung anderer Fußball spielender Nationen. Mit Erlangung der politischen und sportlichen Unabhängigkeit vieler Länder in den fünfziger Jahren wurde die FIFA von einer Flut unabhängiger Fußballverbände überschwemmt. Angesichts des gestiegenen Bedürfnisses nach Nationalstaatlichkeit und politischer Selbstbestimmung innerhalb des afrikanischen Blocks und des afrikanischen Fußballbundes (Confederation of African Football, CAF) gestaltete sich Südafrikas FIFA-Mitgliedschaft zunehmend schwierig.
Zu Hochzeiten des Apartheidregimes in den späten 50er und frühen 60er Jahren war die FIFA in der Frage gespalten, ob die von Weißen beherrschte FASA oder die nichtrassenorientierte African Soccer Federation (SASF) (als Dachorganisation eines nicht rassenexklusiven Fußballs) Mitglied der Weltorganisation werden sollte. Zu diesem Zeitpunkt war die FASA bereits vom afrikanischen Fußballverband CAF wegen ihrer Weigerung, ein gemischtes Team zum ersten „African Cup of Nations“ im Jahre 1957 zu entsenden, ausgeschlossen worden.
In den späten 50er Jahren drängte die SASF darauf, die FASA als Repräsentant Südafrikas in der FIFA zu ersetzen. 1961 gelang es ihr schließlich, den Ausschluss der FASA zu erwirken; dem ausschließlich weißen Verband wurde jedoch zugestanden, innerhalb eines Jahres zu beweisen, keine rassenexklusive Organisation zu sein.
Eine Untersuchungskommission sollte eine mögliche Wiederzulassung der FASA beurteilen. Aufgrund der Führsprache von FIFA-Präsident Stanley Rous wurde die Organisation schließlich wieder Mitglied der Weltfußball-Organisation. Nach allgemeiner Auffassung, aber insbesondere unter den afrikanischen Nationen, bestätigte die FIFA damit die Apartheidpolitik der Regierung Südafrikas – woraufhin die CAF sich darin bestärkt sah, das Thema entschlossen weiterzuverfolgen. Erbitterte Auseinandersetzungen während des FIFA-Kongresses 1964 führten schließlich zum erneuten Ausschluss der FASA.
Obwohl Südafrika durch seine Rassenpolitik isoliert und auf dem internationalen Spielfeld ins Abseits geraten war, setzte die südafrikanische Regierung in den 70er Jahren die sportliche Rassentrennung weiterhin rigoros um. Mit Unterstützung der Regierung und den südafrikanischen Brauereien entstand bald eine professionelle Fußball-Liga für Schwarze. Nach Beginn der landesweiten Fernsehübertragung im Jahre 1976 nahm die Zahl der Unternehmen zu, die den schwarzen Fußball sponserten. Viele Firmen versuchten, den Sport dazu zu nutzen, schwarze Konsumenten zu erreichen.
Wendepunkt war der Aufstand von Soweto 1976, der eine Reihe von Ereignissen auslöste, die langsam aber sicher auch zum Ende der Rassentrennung im Berufsfußball führte. Im Schul- und Amateurbereich, dem 95 Prozent aller Spieler angehörten, änderte sich allerdings nichts. Bis in die 80er Jahre hinein herrschte hier eine strikte Rassentrennung. Erst am Ende des Jahrzehnts, mit Beginn der Verhandlungen zwischen dem African National Congress (ANC) und der regierenden National Party (NP) sowie auf Drängen von Anti-Apartheid Aktivisten, wurde der Grundstein für eine nicht rassistisch geprägte Fußballvereinigung gelegt (Alegi, 2004). Damit sollten die frühen 90er Jahre viele Veränderungen mit sich bringen.
Südafrikas Rückkehr in die internationale Fußballwelt
Durch das aktive Bestreben nach Einheit in den frühen 90er Jahren wurde bald ein nichtrassenorientierter Fußballverband ins Leben gerufen. Mit der Gründung der South African Football Association (SAFA), die alle bestehenden schwarzen, weißen, indischen und farbigen Verbände in sich integrierte, war auch die administrative Spaltung im südafrikanischen Fußball aufgehoben. Infolgedessen wurde Südafrika während des FIFA- Kongresses 1992 in Zürich wieder als Mitglied aufgenommen.
Somit wurde Fußball, ein besonders bei der schwarzen Bevölkerung des Landes beliebter Sport, zum symbolischen Vorboten des „neuen“ Südafrika, dessen Rückkehr auf das internationale Fußballfeld damit den politischen Verhandlungen vorauseilte. Die Nationalmannschaft, liebevoll Bafana Bafana („die Jungs“) genannt, schlug Kamerun 1 – 0 in ihrem ersten Spiel als FIFA-Mitglied und trug auf diese Weise dazu bei, die unrühmliche Geschichte des südafrikanischen Fußballs wenigstens teilweise zu rehabilitieren.
Von der Welle der Demokratisierung und frühen spektakulären Erfolgen in verschiedenen Sportarten ergriffen, wurden die 90er Jahre zur goldenen Ära des südafrikanischen Sports, insbesondere des Fußballs. Die Erfolge des Nationalteams, einschließlich der Erringung des African Cups of Nations, wurden nicht selten auf die allgemein herrschende „Mandelamania“ zurückgeführt. Südafrika belegte in dieser Zeit einen unglaublichen 16. Rang auf der FIFA -Weltrangliste.
Trotz der verschiedenen Probleme bei der Gründung eines nicht rassistischen nationalen Fußballbundes, war die Grundlage für einen südafrikanischen Fußball geschaffen, der den unaufhaltsamen gesellschaftlichen Veränderungen der Nation gerecht werden konnte. Schirmherren und verantwortlich für die Transformation des Sports waren das Department of Sport and Recreation, die SAFA sowie die South African Sports Commission .
Im Unterschied zu anderen beliebten Sportarten in Südafrika gab es im Fußball ausreichend viele schwarze Talente. Nun kam es darauf an, den Ausbau der bestehenden Infrastrukturen und den Aufbau neuer Fußballeinrichtungen schnellstmöglich voranzutreiben und eine Liga der unter 21Jährigen zu schaffen, um eine kontinuierliche Talentförderung zu garantieren.
Ungeachtet der vielen Gegensätze innerhalb des neuen südafrikanischen Staates kann die Rolle des Sports bei der Stärkung der noch zerbrechlichen nationalen Identität nicht ignoriert werden. Südafrika hatte die schwierige Umbruchsphase durch Verhandlungen erfolgreich hinter sich gelassen und einen Bürgerkrieg verhindert. Der Fußballsport war nicht unwesentlich daran beteiligt, das nationale Selbstverständnis zu stützen und zu formen.
Nachdem sich die Euphorie über die Demokratisierung des Landes gelegt hatte, kam es jedoch zu ersten Rückschlägen. Wie viele andere Sportarten in Südafrika, wurde der Fußball auf und jenseits des Spielfeldes von verschiedenen Problemen heimgesucht. Die Zuständigkeit der SAFA war ungeklärt; viele Spieler betrachteten ihre ausländischen Vereine als wichtiger als die Nationalelf, darüber hinaus waren Fragen des Sponsorings ungelöst.
Ende des Jahres 2008 war Südafrika auf Rang 85 der FIFA-Weltrangliste abgerutscht, die Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2006 hatte das Land zuvor verspielt. Teil des Problems waren die enormen Veränderungen, die der internationale Fußball während der Zeit der spielerischen Isolation Südafrikas durchlaufen hatte. Durch den Ausschluss von Weltmeisterschaften sowie von afrikanischen Fußball-Cups und Freundschaftsspielen mit anderen FIFA-Mitgliedsländern hatten die Südafrikaner, unabhängig von ihrer Hautfarbe, die revolutionären organisatorischen, technischen und wirtschaftlichen Entwicklungen im Fußballsport der 70er und 80er Jahre verpasst (Alegi, 2004).
Allerdings sollten entscheidende politische Entwicklungen hinsichtlich der Organisation der internationalen Fußballwelt Südafrika später dabei helfen, Gastgeber der Fußball-Weltmeisterschaft zu werden.
Zu Südafrikas Glück fanden diese politischen Veränderungen am Ende des zwanzigsten Jahrhundert statt, mehr oder weniger zur gleichen Zeit wie die politische Neugestaltung des Landes. Mit der schrittweisen Demokratisierung der Strukturen im Weltfußball und Südafrikas Rückkehr in die internationale Fußballwelt stieg in den 90er Jahren der allgemeine Druck, eine Weltmeisterschaft auf afrikanischem Boden auszurichten.
Trotz anfänglicher Schwierigkeiten, andere afrikanische Länder davon zu überzeugen, nach Jahren der Apartheid und weißer Dominanz ein geeigneter Repräsentant des afrikanischen Kontinents sein zu können, gelang es Südafrika, sich als ein grundlegend erneuerter, moderner Industriestaat zu präsentieren, der in idealer Weise die kosmopolitischen Entwicklung des Weltfußballes und die damit verbundenen Ideale verkörperte.
Bestrebt, das Image des politischen Parias abzuschütteln und durch verschiedene Unternehmungen von Regierung und Wirtschaft gestützt, war Südafrika bereit, die allgemeine Stimmung in internationalen Fußballkreisen für sich zu nutzen und zögerte nicht lange, selbst die Initiative zu ergreifen.
Aufgrund der fast ausnahmslos friedlichen Transformation des Landes sowie der größtenteils erfolgreichen Überwindung der historischen Rassendiskriminierung erschien Südafrika mehr und mehr als ein idealer Kandidat den „entwicklungspolitischen“ Fokus des Weltfußballs, insbesondere auf den afrikanischen Kontinent, weiter voranzutreiben. Eine Kombination politischer und wirtschaftlicher Gründe sowie zweifelsohne eine gute Portion Glück und die richtige Wahl des Zeitpunktes waren dafür verantwortlich, dass es dem Land gelang, andere afrikanische Staaten zu überflügeln, die, aus rein fußballerischen Gesichtspunkten, einen größeren Anspruch auf die Ausrichtung einer Weltmeisterschaft gehabt hätten.
Ungeachtet der Entwicklungen im Fußball, gewannen Sport und vor allem sportliche Großveranstaltungen zunehmend an Bedeutung für die Regierung Post-Apartheid Südafrikas.
Nachdem die Rolle Südafrikas im internationalen Fußball beschrieben wurde, soll im Folgenden die jüngste Geschichte des südafrikanischen Staates in Bezug auf dessen Bestreben, gemeinsam mit den wirtschaftlichen Eliten des Landes sportliche Großveranstaltungen auszurichten und schließlich die Bewerbung um die Weltmeisterschaft 2010, beleuchtet werden.
Südafrika bewirbt sich um die Fußballweltmeisterschaft
Seit Beginn der Demokratie spielten Sportveranstaltungen eine wichtige Rolle für den Staat und die wirtschaftliche Elite Sϋdafrikas. Den Zuschlag für die Ausrichtung der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 erhalten zu haben, kann als direkte Folge der gemeinschaftlichen und nachhaltigen Bestrebungen der politischen und wirtschaftlichen Eliten des Landes betrachtet werden, derartige Großveranstaltungen nach Sϋdafrika zu holen. Grund für diese Anstrengungen waren zum einen die von Befürwortern der Wettbewerbsteilnahme immer wieder betonten enormen wirtschaftlichen und entwicklungspolitischen Impulse, die von solchen Großveranstaltungen ausgingen. Zum anderen stand die damit im Zusammenhang stehende gezielte Förderung eines bestimmten Bildes von Afrika und die Idee einer „Afrikanischen Renaissance“ im Mittelpunkt (Cornelissen & Swart, 2006).
Aus denselben Gründen hatte sich die südafrikanische Regierung noch vor der Bewerbung um die Weltmeisterschaft 2010 um die Gastgeberrolle für 2006 beworben. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits der Rugby World Cup (1995), der African Cup of Nations (1996), die All African Games (1999) und der Cricket World Cup (2003) auf südafrikanischem Boden erfolgreich ausgetragen worden.
Der Rugby World Cup von 1995 erwies sich als eine Art kathartische Selbstreinigung für die Gesellschaft Südafrikas, die durch den Slogan: „One team, one Nation - Ein Team, eine Nation“ zusammengeschweißt wurde. Dieses Motto ebnete den Weg für ein Identitätsbewusstsein als „Rainbow Nation“ und wurde zu einem der tragenden Pfeiler der Präsidentschaft Mandelas.
Näher betrachtet, zeigt sich jedoch, dass die Glorie des Ereignisses schnell im Licht der anhaltenden Streitigkeiten während des voranschreitenden Transformationsprozesses verblasste, zumal Rugby auch als ein von der Afrikaans sprechenden weißen Bevölkerung dominierter Sport galt (Black & Nauright, 1998; Booth 1996; Grundlingh, 1998; Steenveld & Streliz,1998).
Den Erfolg der gelungenen Austragung der Rugby-Weltmeisterschaft nutzten Südafrikas politische und wirtschaftliche Eliten im Anschluss als eine strategische Chance, das Gefühl von Nationalstolz als Gastgeber verschiedener panafrikanischer Sportereignisse wie den African Cup of Nations und die All African Games aufrecht zu erhalten; eine Aufgabe, für deren Erfüllung der Rugby World Cup hohe Maßstäbe gesetzt hatte. Diese Veranstaltungen sollten darüber hinaus das nach Ende der weißen Herrschaft und Apartheid wiedererwachte afrikanische Selbstverständnis Südafrikas symbolisieren. 1996 trug Südafrika den African Cup of Nations nicht nur erfolgreich aus, sondern gewann das Turnier im eigenen Land; ein Erfolg, der eine ähnliche Euphorie wie beim Rugby World Cup unter der Bevölkerung auslöste. Es gab aber auch Rückschläge zu verzeichnen: Sowohl bei der Vergabe der Olympischen Spiele 2004 als auch Ausschreibung für die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 ging Südafrika leer aus.
Die Idee, Gastgeber der Weltmeisterschaft 2006 zu werden, wurde bereits in den frühen 90er Jahren geboren. Man hatte die Vorstellung, hierdurch dreierlei bewirken zu können: Erstens würden so ausländische Direktinvestitionen sowie durch die erhöhte internationale Präsenz des Landes der Tourismus in das Land gefördert. Zweitens würde ein Gefühl nationalen Stolzes gestärkt und drittens würde den lokalen Machthabern in Regierung, Sport, Medien und Wirtschaft die Möglichkeit geboten, ihre Position im „neuen“ Südafrika weiter zu definieren und festigen. Wie auch bei der Bewerbung um die WM 2010, setzte man bei der Ausschreibung für 2006 auf eine emotionsgeladene Darstellung Afrikas, wobei die sozioökonomische Marginalisierung des Kontinents hervorgehoben wurde. Südafrika verlor mit nur einer Stimme den Zuschlag an Deutschland (Alegi, 2001). Seine Repräsentanten wurden anschließend dafür kritisiert, nicht genug getan zu haben, ausreichend Stimmen zu sammeln; Mandela hätte bei der entscheidenden Abstimmung dabei sein sollen. Im Rückblick kann dieser Misserfolg aber als eine Art Lernerfolg gesehen werden. Wäre Südafrika nämlich bereits zu diesem Zeitpunkt der Zuschlag erteilt worden, hätte das Land aller Wahrscheinlichkeit nach größten logistischen Schwierigkeiten gegenüber gestanden (Cornelissen, 2004a, 2004b; Griffiths, 2000).
Die Entscheidung, gemeinsam mit Simbabwe und Kenia den Cricket World Cup 2003 auszurichten, war ein weiterer Schritt, Südafrikas afrikanische Identität zu demonstrieren und entsprach der außenpolitischen Zielsetzung von Mandelas Nachfolger, Präsident Thabo Mbeki.
Die Sportveranstaltung passte zu dessen Vision einer grundlegenden sozialen und wirtschaftlichen Erneuerung des afrikanischen Kontinents im Sinne der „Afrikanischen Renaissance“.
Das Turnier fand unter dem Motto „African Safari“ statt. Diesem Leitmotiv lag eine Marketing-Strategie zugrunde, die darauf abzielte, den Kricket-Sport, den der britische Imperialismus seinen ehemaligen Kolonien hinterlassen hatte, zu afrikanisieren und die kulturelle Akzeptanz für das Spiel zu erhöhen. Was diesen Cricket World Cup somit umso interessanter machte, war der unterschwellige Versuch Südafrikas, das Image eines Sportes zu verändern, der von jeher eng mit der „zivilisatorischen“ Mission des britischen Empires verknüpft war.
Durch die Ausrichtung einer „afrikanisierten“ Kricket-Weltmeisterschaft bemühte sich Südafrika also darum, die hegemoniale Ordnung des internationales Kricketsports neu zu gestalten und darüber hinaus die Ungleichheiten zwischen angelsächsischer Welt und dem afrikanischen Kontinent aufzubrechen (Van der Merwe & Van der Westhuizen, 2007).
Die Wahl des Nachbarlandes Simbabwe als Mitveranstalter, sorgte allerdings für unnötige politische Spannungen. Diese Wahl widersprach dem übergeordneten Gedanken einer „Afrikanischen Renaissance“, verschärfte die politische Situation zwischen den Kricket spielenden afro-asiatischen und angelsächsischen Mächten des (ehemaligen) Commonwealth und war nicht zuletzt Ausdruck einer untauglichen südafrikanischen Außenpolitik gegenüber Simbabwe. Rein technisch gesehen gelang es Südafrika aber, das Vorurteil, Afrika sei nicht in der Lage, derartige Großveranstaltungen durchzuführen, zu widerlegen (Van der Merwe & Van der Westhuizen, 2007).
Die Art und Weise, in der Südafrika die Sportveranstaltung für sich nutzte sowie das Maß, in dem Staat, Wirtschaft und Medien diese forcierte, ließ sowohl die kontinentalen als auch internationalen Ambitionen des Landes erkennen. Diese ehrgeizigen Ansprüchen wurden durch den Zuschlag für die Weltmeisterschaft 2010 schließlich gekrönt. Die Bewerbung wurde als eine „afrikanische“ Bewerbung vorgetragen und mit der Feier für das 10-jährige Bestehen der Demokratie kurz nach den allgemeinen Wahlen im April 2004 verknüpft. Nach der Enttäuschung der verlorenen ersten Ausschreibung für 2006 verstärkte und erneuerte Südafrika seine Bemühungen, Gastgeber des „beautiful game“ zu werden und appellierte mit dem Slogan „It’s Africa’s Turn“ an den Rest der Welt.
Einzigartig war der Wettbewerb diesmal auch deshalb, weil die FIFA kurz zuvor ein kontinentales Rotationsprinzip eingeführt hatte, das aus gutem Grund ein Gerangel um die Austragung des Turniers unter den afrikanischen Bewerbern entfachte. Es schien, als hätte die FIFA sich erstmalig in der Geschichte der Weltmeisterschaft für Afrika als Austragungsort eingesetzt und die Wettbewerbsbedingungen angeglichen. Die Afrikaner mussten jetzt nur noch auf dem Spielfeld gegen Europäer und Südamerikaner antreten, sich aber nicht mehr dem Vergleich mit deren schönen Städte und hervorragender Infrastruktur stellen.
Nachdem jedoch Brasilien als Austragungsort für die Weltmeisterschaft 2014 feststand, wurde das Rotationssystem 2007 wieder abgeschafft. Die Entscheidung für Afrika als Austragungsort 2010 erschien daher im Nachhinein umso mehr als Sonderfall in der Geschichte der Weltmeisterschaft.
Da von Anfang an klar zu sein schien, dass die Weltmeisterschaft 2010 in Afrika stattfinden würde, musste nur noch geklärt werden, welches afrikanische Land der ideale Kandidat wäre. Es gab zwar Momente, in denen sich die Südafrikaner nicht vollkommen sicher waren, den Zuschlag zu erhalten; im Großen und Ganzen war das Land aber selbstbewusst und ging aufgrund der Kette erfolgreich ausgerichteter Großereignisse von einem positiven Ergebnis für sich aus. Eng gefolgt wurde Südafrika von Marokko, das es immerhin schaffte, zehn Stimmen in der letzten Runde der Abstimmung für sich zu gewinnen und von dem lautstarken, aber stimmschwach Ägypten. Südafrika hatte guten Grund auf einen auf Erfolg zu hoffen: Im Vergleich mit anderen afrikanischen Ländern verfügte das Land zweifelsohne über die beste Infrastruktur in Bezug auf Sport, Transport, Medien und Gastronomie; größtenteils ein Vermächtnis aus der Zeit der Apartheid.
Trotz der strukturellen Probleme, die aus den Tagen der Apartheid und 30 Jahren politischer Isolation herrührten, schien Südafrika klarer Favorit und eine bekannte Größe in der Weltgemeinschaft geworden zu sein. Dieser Umstand war nicht zuletzt auf das moralische Ansehen und Format, das die Nation in relativ kurzer Zeit gewonnen hatte, zurückzuführen. Aus Sicht der FIFA war die Ausrichtung der Fußball-Weltmeisterschaft eine ideale Gelegenheit, den Sport weiter zu globalisieren und klare politische Akzente zu setzen.
Fazit
Thema dieses Artikels war die Rolle Südafrikas im internationalen Fußball sowie die Fußball-Weltmeisterschaft und deren enormen Bedeutung für das Land nach Jahren der Apartheid.
Obwohl die gestiegene Teilnahme afrikanischer Staaten bei Weltmeisterschaften auch den strukturellen Veränderungen des Turniers während des zwanzigsten Jahrhunderts zu verdanken war, ist festzustellen, dass diese Entwicklung ebenfalls durch parallel wirkende breitere kulturelle, politische und sozioökonomische Kräfte begünstigt und vorangetrieben wurde.
Eine afrikanische Fußball-Weltmeisterschaft entspricht dem allgemeinen Ziel der Gleichberechtigung im internationalen Fußball und kann darüber hinaus als Indiz für eine gerechtere Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Afrika und der westlichen Welt gewertet werden.
Gastgeber des größten Sportereignisses der Welt zu sein, verspricht damit nicht nur zur Krönung der Rückkehr Südafrikas in die Völkergemeinschaft, sondern auch zum Symbol für den Weg Afrikas in Richtung einer gerechteren Weltordnung zu werden.
Eine Version dieses Artikels erschien in dem Buch “Development and Dreams: The Urban Legacy of the 2010 Football World Cup, 2009”.
Justin van der Merwe ist Forscher bei der Arbeitsstelle „Demokratie and Governance” des „Human Sciences Research Council“ (HSRC) in Kapstadt und arbeitet gleichzeitig an seiner Doktorarbeit an der Universität von Oxford. Seine Forschungsinteressen umfassen Sport, Identität und Menschenrechte, Internationale Beziehungen insbesondere im Hinblick auf Südafrikas Außenpolitik sowie die politische Geographie des Südlichen Afrikas. Justin hat in zahlreichen Sammelbänden und wissenschaftlichen Fachzeitschriften publiziert.
Literatur
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