Pro CCS

9. März 2010
Eivind Hoff.
"Bei den Kohlekraftwerken ist ein radikaler Umbruch durch CO2-Abscheidung und - Speicherung nötig und möglich"

Im Jahr 2050 werden sich drei Milliarden mehr Menschen als heute diese Erde teilen. Dabei wird ein großer Teil der Menschheit auf den Zugang zu mehr Energie angewiesen sein, um der Armut zu entwachsen. Darum müssen wir alles Machbare unternehmen, um die Emissionen zu reduzieren. Früher oder später müssen wir "CO2-negativ" werden, indem wir CO2 aus der Atmosphäre absaugen und wieder in den Boden zurückführen.

80 Prozent unseres heutigen Energieverbrauchs machen fossile Brennstoffe aus. Kein fossiler Brennstoff verursacht so viel Verschmutzung wie die Kohle. Sie ist auch am leichtesten verfügbar – gerade in den aufstrebenden Ländern, in denen der Energieverbrauch in den kommenden Jahrzehnten am stärksten steigen wird. Wir werden also Möglichkeiten finden müssen, wie die Verbrennung von fossilen Brennstoffen noch für eine gewisse Zeit fortgesetzt werden kann – ohne Emissionen. Das ist machbar: mittels CO2-Abscheidung und Speicherung (abgekürzt CCS für Carbon Capture and Storage).

Dabei muss das CO2 tiefer als 800 Meter unter der Erdoberfläche gelagert werden, denn nur dort ist der Druck groß genug, damit sich das Kohlendioxid wie eine Flüssigkeit verhält und somit weniger flüchtig ist als im gasförmigen Zustand. Die Lagerung kann in ausgeförderten Öl- oder Gasquellen erfolgen, aber die größten potenziellen Lagerstätten befinden sich in porösen, salzwasserführenden Gesteinsformationen, den sogenannten salinen Aquiferen. Der zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen der UNO geht in seiner vorsichtigsten Schätzung von einer Lagerkapazität von rund 1700 Gigatonnen aus. Zum Vergleich: Weltweit fallen etwa 30 Gigatonnen an CO2-Emissionen an.

Aus Rauchgas wird Kohlendioxid bereits erfolgreich abgeschieden. Das abgeschiedene CO2 wird abtransportiert und in großen Mengen und für viele Jahre unterirdisch gelagert. Bei gewöhnlichen Kohle- oder Gaskraftwerken, für die CCS eine entscheidende Zwischenlösung auf dem Weg in eine nur noch mit erneuerbaren Energien arbeitende Zukunft sein wird, ist die Kombination von Abscheidung, Transport und Lagerung bislang jedoch noch nie angewandt worden. Doch die Erwartung besteht, dass bis 2050 durch Kohlendioxid-abscheidung und -speicherung der weltweite CO2-Ausstoß um ein Drittel reduziert werden kann.

Das Potenzial, das CCS bietet, reicht aber über das Reinigen fossiler Brennstoffe hinaus. Wenn es uns gelingt, eine nachhaltige Biomasse zu entwickeln, die nicht mit der Nahrungsmittelerzeugung oder dem Erhalt der Natur konkurriert – dabei ließe sich zum Beispiel an den Anbau von Meeresalgen in der Sahara denken – ist dank CCS eine Verfeuerung von Biomasse in Kraftwerken möglich. Bäume und Pflanzen nehmen, solange sie wachsen, CO2 aus der Luft auf. Dadurch wird der Luft CO2 entzogen, das dort abgelagert wird, wo der Kohlenstoff herstammt: unter der Erdoberfläche.

Zudem ist die CO2-Abscheidung und -speicherung die einzige Möglichkeit, CO2-Emissionen zu beseitigen, die in der produzierenden Industrie anfallen – etwa bei der Stahl- oder Zementherstellung, die ja für den Bau der Windkraftanlagen und Solarkraftwerke der Zukunft benötigt wird. Selbst in ausschließlich mit erneuerbaren Energien betriebenen Stahl- oder Zementwerken werden durch die eigentlichen Fertigungsprozesse große Mengen an CO2 freigesetzt, die nur mit Hilfe von CCS beseitigt werden können.

Die Zukunft der Kohlendioxidabscheidung und -speicherung ist natürlich spekulativ, weil sie noch darauf wartet, im großen Stil zum Einsatz zu kommen. Wir sind von dieser Technik überzeugt, weil alle Emissionsszenarien, die von einer Erderwärmung um zwei Grad als Obergrenze ausgehen, einen erheblichen Anteil CCS enthalten. Wir sind auch von ihr überzeugt, weil CCS nach allen bisherigen Erfahrungen funktioniert und sicher ist. Es ist an der Zeit, den Hebel umzulegen.

Übersetzung: Andreas Bredenfeld


Eivind Hoff ist seit 2007 Leiter des Brüssel-Büros der Bellona Foundation, einer unabhängigen Stiftung mit Hauptsitz in Oslo. Der Fokus der Arbeit richtet sich zurzeit auf die Frage, wie europäische Gesetzgebung die Phase unverminderter Kohle- und Gasemissionen am schnellsten beenden kann. Zuvor war er im Europäischen Büro von WWF verantwortlich für Fragen der Handelspolitik und den Handel mit CO2-Zertifikaten.

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