Richtungswechsel: Elemente einer ökologischen Gestaltung der Globalisierung

Lesedauer: 4 Minuten

Globalisierung: Verheißung oder Katastrophe?

26. März 2008
Barbara Unmüßig und Jörg Haas
Heinrich-Böll-Stiftung

Die Dokumentation der  Tagung  ‚Globalisierung: Verheißung oder Katastrophe‘ vom 15./16.November 2002, veranstaltet von der Petra Kelly Stiftung, kann herunter geladen werden.

Aus dem Inhalt:

Globalisierung ist ein höchst widersprüchlicher Prozess, der immensen Reichtum und Warenfülle schafft und zugleich in hohem Maße Verarmung und Ungleichheit erzeugt. Spätestens mit dem UN-Gipfel für Umwelt und Entwicklung (UNCED) in Rio de Janeiro 1992 rückten auch die globalen ökologischen Probleme ins Zentrum internationaler Verhandlungen. Mit dem Begriff der ‚Nachhaltigen Entwicklung‘ wurde versucht, eine konzeptionelle Grundlage für eine ökologische, soziale und ökonomische Gestaltung der Globalisierung zu schaffen. Zehn Jahre nach Rio ist allerdings deutlich, dass internationale Umwelt- und Nord-Süd-Politik der ökonomischen Globalisierung bei- oder untergeordnet und weitgehend von ökonomischen Interessen dominiert sind.

Welche ökologischen Auswirkungen hat die Globalisierung?

Oberstes Gebot im globalen Wettbewerb um hochmobiles Kapital ist es, die Kapitalrendite zu steigern. Was die Umweltwirkungen betrifft kann das ganz unterschiedliche Folgen nach sich ziehen.
Zum einen führt ein kurzer Weg von betriebswirtschaftlicher Effizienz zur Ökoeffizienz: technologischen Innovationen, die einen rückläufigen Ressourcen- und Energieverbrauch zur Konsequenz haben und gleichzeitig Kosten sparen. Jedoch eröffnen auch Ökoeffizienzerfolge Wachstumsperspektiven. Zumeist werden so Effizienzeffekte von Expansionseffekten wieder aufgezehrt. Damit entstehen im globalem Maßstab wachsender Ressourcenabbau, steigender Energieeinsatz, erhöhte Emissionen, mehr Abfall und Flächenverbrauch. Die Umweltbelastungen nehmen insofern trotz der Effizienzerfolge nicht ab – sondern im Gegenteil zu.

Zum anderen gibt es jedoch ebenso einen Anreiz zur Externalisierung von Kosten, um von möglichst kostenfreien oder kostengünstigen Produktionsfaktoren (Luft, Wasser, Energie, Fläche) zu profitieren. Die oft aus der Konkurrenz um Industriestandorte geborenen staatlichen Subventionen für Energie, Wasser, Standortansiedlung (Flächen, Verkehrsanbindung) verstärken diesen Trend. Die ökologisch blinden WTO-Regeln wirken hier Problem verschärfend. Die eigentlich volkswirtschaftlich gebotene Internalisierung von Umweltkosten durch Mechanismen wie die Ökosteuer wird politisch sehr erschwert. Auch wenn hier von Industrielobbies oft mit übertriebenen Szenarien argumentiert wird: Das Argument ist nicht ganz von der Hand zu weisen, dass die Produktion außer Landes getrieben wird, sofern durch eine Politik der Internalisierung von Umweltkosten relevante Wettbewerbsnachteile für die Betriebe entstehen. Die Absicherung einer derartigen Politik nach außen durch ökologisch differenzierte Zölle und Exportsubventionen ist jedoch nach WTO-Regeln nicht erlaubt (s.u.).

Transnationale Konzerne sind entscheidende Akteure wirtschaftlicher Globalisierung. Es liegt durchaus in der Logik global vereinheitlichten Managements, ökologische und soziale Standards bei der Produktion einzuhalten oder gar zur Förderung des Markenwerts diesbezüglich eine Vorreiterfunktion einnehmen. Soziale und ökologische Mindeststandards sind insbesondere ein Problem für kleine Unternehmen und Sweatshops, nicht jedoch für Siemens, den Otto-Versand oder VW. Die Umweltbilanz auf der Produktionsebene vieler transnationaler Konzerne, sofern sie nicht gerade unmittelbar in die Rohstofferschließung involviert sind, sieht daher häufig nicht schlecht aus.

Diese Einschätzung muss jedoch relativiert werden: Politisch sind gerade die international agierenden Konzerne die wichtigsten Protagonisten der Handelsliberalisierung. In den letzten 50 Jahren hat sich der internationale Handel um den Faktor 15 erhöht, und damit ist auch der Transport gigantisch angestiegen. Der rasante Anstieg des Intra-Konzernhandels im Zuge global verteilter Produktionsketten spielt hier eine problematische Rolle. Der Verkehr ist einer der Hauptverursacher der Luftverschmutzung, des Klimawandels, und wesentlicher Faktor der Meeresverschmutzung.

Ein weiterer Effekt der Globalisierung mit ökologischen Langzeitwirkungen sind die seit den neunziger Jahren stark zunehmenden Auslandsdirektinvestitionen aus den OECD-Ländern in die Schwellenländer des Südens. Sie sind Transmissionsriemen für die weltweite Übertragung des ressourcenintensiven fossilen Entwicklungsmodells. Der damit gewaltig zunehmende Gesamtverbrauch an Rohstoffen und die Zunahme der Emissionen bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die Umwelt. In den Schwellenländern steigen die CO2-Emissionen steil an
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Auslandsinvestitionen sind zudem häufig die Ursache von Umweltschäden in Entwicklungsländern. Hierzu zählt die Abholzung des tropischen Regenwaldes ebenso wie der umweltbelastende Abbau von Mineralien oder der Export ausgelagerter Anlagen mit niedrigen Umweltstandards. Viele Länder des Südens fungieren immer noch als Rohstofflieferanten für den Norden. Dadurch werden natürliche Lebensgrundlagen für große Bevölkerungsteile nach wie vor zerstört.

Durch die Instabilität der Finanzmärkte wird diese Problematik noch dramatisch verstärkt. Kapitalzuflüsse bzw. abziehendes Kapital und massive Wechselkursschwankungen können über das Wohl einer ganzen Nation entscheiden. Gerade Währungskrisen und die Schuldenspirale verstärken den Druck auf die natürlichen Ressourcen mit dem Zweck, Devisen durch Exportsteigerung einzunehmen. Da viele Länder gleichzeitig ihr Angebot erhöhen, verfallen auf den Rohstoffmärkten die Preise - weswegen für den Schuldendienst noch mehr Exporte erzielt werden müssen. Die Ökobilanz dieses Teufelskreises ist verheerend.

Barbara Unmüßig

Barbara Unmüßig ist Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung. Sie hat zahlreiche Zeitschriften- und Buchbeiträge zu Fragen der internationalen Finanz- und Handelsbeziehungen, der internationalen Umweltpolitik und der Geschlechterpolitik veröffentlicht.