Barbara Unmüßig zur Preisverleihung an Wangari Maathai
30. April 2004Liebe Wangari Maathai, sehr geehrter Herr Töpfer, sehr geehrte Exzellenzen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Ich freue mich, Sie anlässlich der Verleihung des Petra Kelly Preises an Frau Prof. Dr. Wangari Maathai an diesem Abend begrüßen zu dürfen.
Wir ehren mit der diesjährigen Preisvergabe eine außergewöhnliche Frau. Eine Frau, die sich nicht nur besonders erfolgreich für die Demokratie, die ökologische Nachhaltigkeit, Menschen- und Frauenrechte einsetzt - sondern die gerade durch ihr Charisma und ihren mutigen persönlichen Einsatz unglaublich viel bewirkt und bewegt.
Wangari ist der Zeit immer ein Stück voraus: Sie war die erste Frau Ostafrikas mit einem Doktortitel in Biologie und wurde 1971 als erste Frau Professorin für Veterinäre Anatomie und Dekanin ihres Fachbereichs an der Universität von Nairobi. Diese für kenianische Verhältnisse ungewöhnliche Karriere hat ihr nicht den Blick auf die massiven sozialen und wirtschaftlichen Probleme der großen Mehrheit der kenianischen Frauen verstellt.
Und so hat ihr politisches Engagement bereits in den 60er Jahren ihren Ausgangspunkt in der Frauenpolitik genommen. Sehr bald ist Wangari zur zentralen Identifikationsfigur der Frauenbewegung in Kenia geworden. Bereits 1981 wurde sie Vorsitzende des „National Council of Women in Kenya“.
Pionierin für Kenya und Symbolfigur für ganz Afrika wurde Wangari mit ihrem zweiten politischen Standbein. Seit den 70er Jahren gilt ihr politisches Augenmerk ganz besonders der Umweltzerstörung, den Zusammenhängen von Abholzung, Bodenerosion, schlechten Ernteergebnissen, Dürren und Hungersnöten.
Mit der Gründung des Green Belt Movements in den 1970er Jahren schlug Wangari gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Die breite Basis des Green Belt Movements waren zunächst ausschließlich Frauengruppen, die Baumsetzlinge heranzogen, die dann auf öffentlichen Flächen und Gemeindefarmland gepflanzt wurden. Wangari und ihre Bewegung haben die Frauen in den Dörfern dazu ermuntert, Bürgerbewusstsein zu entwickeln und vieles in Frage zu stellen, sei es die Kontrolle, die ihre Ehemänner über sie ausüben oder die Herrschaft des Autokraten Daniel Arap Moi. Heute sind im Green Belt Movement 6000 eingetragene Gruppen aus ganz Kenia organisiert, die mehr als 20 Millionen Bäume gepflanzt haben.
In den 1990er Jahren kam ein weiterer wichtiger politischer Schwerpunkt in Wangaris Arbeit hinzu: Frieden und Versöhnung. Als sich zum Ende des Moi-Regimes, das immer autoritärere und repressivere Züge annahm, die politisch motivierte Gewalt zwischen verschiedenen ethnischer Gruppen Kenias zuspitzte – nicht zuletzt geschürt durch die Regierung - setzte sich Wangari Maathai zunehmend erfolgreich für die Wahrung der Menschenrechte und ein friedliches, multiethnisches Kenia ein. Mit Peace Committees und moderierten Treffen der Konfliktparteien trug auch hier wieder Wangaris Green Belt Movement und ihr ganz persönlicher Ansatz viel dazu bei, dass Konflikte wieder politisch und nicht durch den Einsatz von Gewalt gelöst wurden.
Wangaris Beitrag zur demokratischen Wende in Kenia Ende 2002 ist gar nicht hoch genug einzuschätzen.
Ihr politisches Engagement, ihr beispielhaftes Vorgehen hat maßgeblich zur Entstehung einer selbstbewussten und kritischen kenianischen Zivilgesellschaft beigetragen, ohne die der demokratische Wechsel nicht möglich gewesen wäre.
Zu ihrer schon zitierten Weitsicht gehörte auch zu erkennen, dass es - auch in Kenia - politischer Parteien bedarf, um politische Macht zu erstreiten. Zu den Parlamentswahlen trat 2002 Wangari mit der von ihr selbst gegründeten Mazenghira Partei (Umwelt) in ihrem Wahlkreis Nyeri im kenianischen Hochland an und wurde mit
überwältigender Mehrheit als erste grüne Politikerin Kenias ins Parlament gewählt.
Wangari Maathai wurde als Vize-Umweltministerin Teil der Regierung des neuen Kenia und hat nun einen neuen politischen Raum erobert. Die Erwartungen an sie sind damit noch einmal gestiegen. Bei einem Besuch in ihrem Wahlkreis im letzten November konnte ich persönlich erleben, mit wieviel Aufmerksamkeit, Geduld und konkreter und auch wirtschaftlicher Unterstützung sie ihren Wählerinnen und Wählern begegnet.
Wangaris Erfolg hat viele Quellen. Ihr wichtigstes politisches Erfolgsgeheimnis dürfte darin bestehen, dass sie an den Alltagserfahrungen der Menschen ansetzt und deren Eigeninitiative fördert. Geschickt verknüpft sie politische Aufklärung und Information mit ganz konkreten Handlungsalternativen, bietet Lösungen an, schafft Vertrauen und Glaubwürdigkeit.
Ebenso wie ihre politischen Anliegen sind Wangaris politische Arenen vielfältig: Für ihren lokalen Ansatz und ihre politischen Themen hat sie immer nationale und internationale Bündnispartnerinnen und –partner gesucht und gefunden. Sie war und ist bis heute eine der wichtigsten Symbolfiguren und Botschafterinnen der afrikanischen Frauen- und Umweltbewegung. Ob bei den Weltfrauen- oder Umweltkonferenzen der 80er und 90er Jahre: Wangari hat diese Foren gezielt für ihre Anliegen genutzt und auch über diesen internationalen Weg die kenianische Regierung unter Druck gesetzt.
Ohne Wangaris Mut und ihre Unerschrockenheit wäre ihr Erfolg nicht denkbar gewesen. Zwar war die internationale Öffentlichkeit für Wangari ein wichtiges Schutzschild gegen die vielen politischen Bedrohungen und Einschüchterungsversuche.
Dennoch: Wangaris politisches Engagement stand immer unter polizeilicher und geheimdienstlicher Beobachtung. Ich weiß von einer guten gemeinsamen Freundin, dass sich Wangari in den 80er Jahren um ihr Haus herum Gänse hielt, die sie vor herannahenden Geheimdienstagenten warnen sollten. In den 90er Jahren wurden die Störmanöver und Bedrohungen jedoch drastischer und wiederholt wurde Wangari ohne Anklageerhebung verhaftet. Auch Gewalt hat Wangari am eigenen Leib gespürt.
Wangari versteht es auf einzigartige Art und Weise, die Wechselbeziehungen von Ökologie, Geschlechterverhältnissen, friedlicher Konfliktbearbeitung und demokratischer Entwicklung in ihrer politischen Praxis zusammenzubringen.
Wangaris politische Stationen – ihre Anfänge in der Frauen- und Umweltbewegung, ihr Charisma und ihre Mobilisierungsfähigkeit, ihre Internationalität und schließlich der Wechsel von der Zivilgesellschaft ins Parlament weisen erstaunliche Parallelen zum politischen Lebenswerk von Petra Kelly auf. Es ist der rückhaltlose Einsatz für Menschenrechte, für die Rechte und Emanzipation von Frauen, für Gewaltlosigkeit, ökologische Nachhaltigkeit und für die Demokratisierung Kenias für den wir Wangari Maathai mit diesem Preis ehren möchten. Sie hat vielen Menschen Hoffnung gegeben und zu gesellschaftlichem Engagement motiviert.
Dear Wangari, with the Petra Kelly Award we would like to encourage you and the people of Kenya to continue to fight for democracy and human rights and for a social and environmental just society.
As in the past we will offer you our support in the future. It is a great honour and pleasure for the foundation and for me personally to cooperate with you.
Thank you very much!
Barbara Unmüßig ist Vorstandsmitglied der Heinrich-Böll-Stiftung.