Internationale Konferenz für Erneuerbare Energien ein Erfolg (01.-04.06.2004)

Lesedauer: 7 Minuten

Bilanz zu Renewables 2004 in Bonn

26. März 2008
Von Barbara Unmüßig, Vorstand Heinrich-Böll-Stiftung
Berlin, Juni 2004

Schon in seiner Eröffnungsrede bewertete der deutsche Umweltminister Jürgen Trittin die Internationale Konferenz für Erneuerbare Energien, Renewables 2004, die vom 1. bis 4. Juni in Bonn stattfand, als Erfolg. Er begründete dies mit der unerwartet hohen internationalen Beteiligung. Nach einem eher schleppenden Vorbereitungsprozess kamen schließlich mehr als 130 Minister, 154 Delegationen und insgesamt 3000 TeilnehmerInnen aus Politik, Wirtschaft und der internationalen Zivilgesellschaft nach Bonn. 1000 mehr als erwartet. Als „Botschaft der Hoffnung auf eine energiepolitische Zukunft“ wertete Entwicklungshilfeministerin Wieczorek-Zeul die Ergebnisse der Konferenz: Eine Politische Erklärung und das Internationale Aktionsprogramm, das über 165 Aktivitäten, wenn auch unterschiedlicher Qualität und Reichweite zum Ausbau erneuerbarer Energien enthält.

Für den Erfolg der Konferenz sind zwei Ursachen maßgeblich: Just am Tag der Eröffnung der Konferenz durchbrach der Erdölpreis die magische Grenze von 40 US-Dollar pro Barrel. Dies hat Renewables 2004 unbestritten sehr viel mehr öffentliche Aufmerksamkeit beschert als zu erwarten gewesen wäre. Chefredakteure aller Medien - besonders in Deutschland - entdeckten plötzlich diese Konferenz als einen Ort, an dem vielleicht doch ernsthaft um Auswege aus der Erdölabhängigkeit verhandelt wird. Erneuerbare Energien, Klimawandel und Armutsbekämpfung kamen so aus der Öko-Nische und wurden für einige Tage Topthemen der wichtigsten deutschen Medien. Renewables 2004 hat damit einen ganz entscheidenden Beitrag für die öffentliche und politische Wahrnehmung  geleistet und gezeigt, dass es zur Erdölförderung- und -abhängigkeit sehr wohl Alternativen gibt, die dringlichst politisch eingeleitet und finanziert werden müssen.
Der zweite Grund für den Erfolg war von Anfang an intendiert: Mit Renewables 2004 sollte endlich ein Ausweg aus den selbst blockierenden Riten der UN-Verhandlungsprozesse gefunden werden, bei denen das Konsensprinzip allenfalls noch den kleinsten gemeinsamen Nenner zwischen allen Staaten des UN-Systems zulässt. Vor zwei Jahren waren bei der Konferenz für Nachhaltige Entwicklung in Johannesburg für die Förderung erneuerbarer Energien nur Allgemeinplätze, aber keine konkreten Ausbauziele formuliert worden. Im Vorfeld der Bonner Konferenz wurde von Anfang an zwar auf möglichst universelle Beteiligung aller Staaten gesetzt, aber auch auf Freiwilligkeit bei den Ausbauzielen. Noch während der Bonner Verhandlungen setzte ein regelrechter Wettbewerb darum ein, möglichst noch ins Aktionsprogramm aufgenommen zu werden.

Diese unbestrittene Stärke der Konferenz war auch gleichzeitig ihre Schwäche. Die 165 Aktivitäten sind sehr unterschiedlicher Qualität. Die meisten Vorschläge sind vage, führen bereits laufende Projekte auf oder suchen noch Finanzierung.
Wenig substanziell sind die konkreten Ausbauziele der meisten Industrieländer geblieben. Deutschland hat allerdings seine Absicht bekräftigt, bis zum Jahr 2020 den Anteil erneuerbarer Energien auf 20 Prozent zu erhöhen. Und mit insgesamt 1,5 Milliarden Euro sollen über die nächsten zehn Jahre auch konkrete Initiativen in den Schwellen- und Entwicklungsländern unterstützt werden. Dieses Vorbild hat auf andere Industrieländer nicht sonderlich ausgestrahlt. Die EU kam ohne wegweisendes Ziel nach Bonn. Sie droht ihre Vorreiterrolle in der Klima- und Energiepolitik zu verlieren, wenn sie nicht endlich konkrete Maßnahmen beschließt, wie sie ihre Ausbauziele bis 2010 erreichen und sich bis 2020 neue, ambitionierte Ziele setzen will.

Eine erste, von Nichtregierungsorganisationen vorgenommene Durchsicht des Aktionsprogramms kommt jedenfalls zu dem Ergebnis, dass letztlich ganze 20 Aktionsvorschläge wirklich relevant sind, indem sie messbare Ausbauziele formulieren oder finanzielle Beiträge zur Förderung erneuerbarer Energien bereit stellen. Vor allem China und die Philippinen sorgten mit sehr konkreten Vorhaben für eine Überraschung.  Insgesamt ließen viele Entwicklungsländer erkennen, dass sie zum Ausbau erneuerbarer Energien sehr wohl bereit sind.

Der Ruf nach finanzieller und technischer Unterstützung war in vielen Redebeiträgen der Regierungsdelegierten vor allem der ärmeren Entwicklungsländer unüberhörbar. Er wurde jedoch kaum aufgenommen. In der politischen Erklärung der Konferenz war eine Formulierung, die auf Erhöhung der Internationalen Entwicklungshilfe drängte, nicht durchsetzbar. Auch ganz konkrete Vorgaben an die multilateralen Entwicklungsbanken - allen voran an die Weltbank, ihre Budgets für erneuerbare Energien zügig auszubauen, findet sich nicht in der Politischen Erklärung. Hier blieb es bei unverbindlichen Appellen. Die Weltbank kündigte ihrerseits im Internationalen Aktionsprogramm an, in den nächsten fünf Jahren die Ausgaben für Erneuerbare Energien um 20 Prozent zu erhöhen. Angesichts des aktuell sehr niedrigen Niveaus des Weltbankportfolios für erneuerbare Energien ist dies eher ein geschicktes PR-Manöver, um dem öffentlichen Druck der Empfehlungen des Extractive Industries Review auszuweichen. Der Review hatte die Weltbankaktivitäten im Minen , Erdöl- und Erdgassektor untersucht und der Weltbank empfohlen, bis 2008 vollständig aus dieser Sektorförderung auszusteigen und die Ausgaben in den Extractive Industries komplett durch die Förderung erneuerbarer Energien zu ersetzen.

Für eine Enttäuschung sorgte die brasilianische Regierung. Unerbittlich bestand sie auf der Anerkennung auch großer Wasserkraftwerke in der Kategorie der erneuerbaren Energien und setzte sich zudem vor allem für den Ausbau von so genannten Biokraftstoffen ein. Beides ist ökologisch hoch umstritten. Insgesamt war zu beobachten, dass vor allem die Großstaudamm-Lobby mit allen Mitteln zu verhindern suchte, dass sich international endlich eine Definition für Erneuerbare Energien durchsetzt, die Großstaudämme wegen ihrer ökologischen, ökonomischen sozialen und menschenrechtlich negativen Folgen aus dieser Kategorie ausschließt. Länder mit großen Ausbauplänen wie Brasilien und Länder mit wichtigen Generatoren-, Turbinenherstellern und Baufirmen wie Kanada waren bevorzugtes Ziel der Lobbyisten. Mit einigem Erfolg!

Die Entscheidung zum Folgeprozess der Bonner Konferenz ist zwar schwach im Ergebnis. Mehr war aber offensichtlich nicht durchzusetzen. Alle wissen, dass das institutionelle Gefüge selbst im Bereich der erneuerbaren Energien unbefriedigend ist. Zersplitterte Zuständigkeiten im UN-System, von unterschiedlichen Ländern oder Ländergruppen begonnene Projekte und Partnerschaften erschweren ein koordinierteres Vorgehen bei der politischen und finanziellen (Be)förderung der erneuerbaren Energien weltweit. Auf mehr als ein informelles „global policy network“ konnte man sich in der Politischen Erklärung nicht einigen. Zu groß scheint die Furcht vor mehr Konzentration und Bündelung, sie würde denn auch die Abgabe von Entscheidungsmacht und Finanzmitteln an eine neue institutionelle Einheit durch die verschiedenen Akteure bedeuten. Bis es soweit ist, soll die UN-Commission on Sustainable Development (CSD) die Aufgabe der Überprüfung des Aktionsprogramms von Bonn übernehmen.

Auch diese Entscheidung spiegelt gleichwohl sehr ehrlich wieder, was derzeit in der internationalen Umwelt- und Entwicklungsdiplomatie möglich ist und was nicht. In den nächsten Jahren muss an einem effizienteren und durchsetzungsfähigeren institutionellen Mechanismus gearbeitet werden .Das informelle Globale Netzwerk, in dem Regierungen, Parlamentarier, der Privatsektor, NGOs, Verbraucherverbände mitarbeiten sollen, könnte dafür eine gute Brückenfunktion übernehmen.
Mit „Renewables 2004“ sollte der Aufbruch zum weltweiten Ausbau erneuerbarer Energien markiert werden. Das dürfte gelungen sein. Bonn zeigte konkreter als erwartet, dass es Alternativen zur Erdölabhängigkeit gibt und wie die Ziele der Armutsüberwindung mit Klimaschutz aufs Engste verknüpft werden können. Soll das Momentum von Bonn jedoch nicht alsbald wieder verfliegen, müssen sich viele Akteure die auf der Renewables2004 formulierten Absichten und Ziele auf die Fahnen schreiben. Die Welt steckt noch länger in der fossilen Falle und der Erfolg von Bonn darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass nach wie vor die große Mehrheit der globalen Investitionen in eine nicht nachhaltige Energieversorgung fließt. Die Adresse und der internationale Ort für eine systematische und strategische Verständigung auf Kriterien für eine zukunftsfähige Energiepolitik, die im Einklang mit Klima- und Umweltschutz, Entwicklungsperspektiven und der Versorgungssicherheit aller Länder der Welt steht, muss noch gefunden werden. Bonn war dafür ein Erfolg versprechender Anfang.


Die Deutsche Bibliothek hat die Netzpublikation "Internationale Konferenz für Erneuerbare Energien ein Erfolg" archiviert. Diese ist dauerhaft auf dem Archivserver Der Deutschen Bibliothek verfügbar.

Barbara Unmüßig

Barbara Unmüßig ist Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung. Sie hat zahlreiche Zeitschriften- und Buchbeiträge zu Fragen der internationalen Finanz- und Handelsbeziehungen, der internationalen Umweltpolitik und der Geschlechterpolitik veröffentlicht. 

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