Rede zur Eröffnung der Ausstellung
von Barbara UnmüßigVorstand der Heinrich-Böll-Stiftung
21. Oktober 2004
Exzellenzen,
sehr geehrte Frau Staatsministerin, liebe Kerstin Müller,
verehrte Künstlerinnen und Künstler,
sehr geehrte Frau König,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,
es ist ein besonderer Tag, an dem ich Sie heute im Namen der Heinrich-Böll-Stiftung ganz herzlich begrüßen darf: mehr als zwei Jahre liegen nun zwischen der Idee zur Ausstellung und ihrer künstlerischen Konkretisierung, von der Präsentation der Kunstwerke in Chiang Mai und der Nationalgalerie in Bangkok bis zur heutigen Eröffnung hier im Ethnologischen Museum Dahlem.
Es mag auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen, wenn sich eine deutsche politische Stiftung in zehn südostasiatischen Ländern auf den Weg macht, eine Ausstellung selbst zu kuratieren.
Nicht zum ersten Mal – jedoch noch nie so ambitioniert – vermittelt und befördert die Heinrich-Böll-Stiftung gesellschaftspolitische Auseinandersetzungen um die Zukunft von Demokratien und sozialökologisch gerechter Gesellschaften über zeitgenössische Kunst.
Künstlerinnen und Künstler in aller Welt eignen sich neue Bilder und Symbole, neue Medien und Ausdrucksformen an und setzen sie in ihren künstlerischen Arbeiten um. Die Globalisierung hat diesen Austausch noch einmal beschleunigt und neue Bedingungen für den Kunstmarkt und die Kunstproduktion geschaffen. Und die hier und heute zu betrachtenden Kunstwerke sind selbst Produkt dieser Globalisierung.
Die Diskussion um Identitäten und Globalisierungsprozesse ist unter bildenden Künstlerinnen und Künstlern hoch aktuell. Der Blick auf die hier präsentierten Kunstwerke und Installationen zeigt, wie sehr kulturelle Öffnung die künstlerischen und politischen Spielräume erweitern und bereichern kann.
Die Arbeiten zeigen aber auch die Ambivalenz, die Zerrissenheit, Bedrohungen und Ängste, wie sie durch Vereinnahmung und sich globalisierende Konsumgüter, Bilderwelten und Lebensentwürfe hervor gerufen werden können.
Künstlerinnen und Künstlern aus insgesamt zehn südostasiatischen Ländern und vielfältigsten kulturellen und sozialen Zusammenhängen haben wir einen Raum geboten, in dem sie sich mit dem Spannungsfeld von Identität und Modernisierungsprozessen in ihren jeweiligen Gesellschaften auseinandersetzen und austauschen konnten. Die meisten der sechzig Künstlerinnen und Künstler haben ihren Lebensmittelpunkt in ihren Herkunftsländern, was der Stiftung neben ästhetischen und konzeptionellen Kriterien für die Qualifizierung zur Teilnahme an der Ausstellung ein besonderes Anliegen war. Die Werke spiegeln somit ein Stück der politischen und sozialen Realität dieser Region wider und zeigen gesellschaftliche Entwicklungen in der bildenden Kunst Südostasiens auf.
In seinem Gedicht „Das Denken des Bebens“ hat der karibische Schriftsteller Edouard Glissant die Globalität als ungeahntes Abenteuer bezeichnet, das uns heute allen zu leben gegeben ist: „Das Denken des Bebens stimmt sich ein auf die Irrfahrt der Welt und auf das, was sich an ihr nicht ausdrücken lässt. Es bedeutet nicht Furcht oder Schwäche, nicht Unentschlossenheit,..., sondern die Gewissheit, dass es möglich ist, sich diesem vielfachen Chaos zu nähern und an diesem Unvorhersehbaren zu wachsen, gegen die in ihrer Intoleranz einzementierten Sicherheiten anzugehen, mit dem „Pulsieren der Welt zu pulsieren“, das endlich zu entdecken ist.“
Die Ausstellung will Einladung sein zu einer solchen Entdeckungsreise, will das vielfältige Pulsieren der Regionen nach Berlin, nach Deutschland, nach Europa holen.
Die positive Perzeption der Ausstellung in Thailand und in den beteiligten südostasiatischen Ländern lässt uns hoffen, dass die Stiftung mit diesem Projekt nicht nur einen wichtigen Impuls für den kulturellen Vermittlungs- und Verständigungsprozess in Südostasien selbst hat geben können, sondern darüber hinaus zwischen dieser kulturell so vielfältigen und spannenden Region und Europa.
Wir wollen zeigen, wie sich Identitätssuche und damit verbundene kulturelle Findungsprozesse in der modernen Kunst Südostasiens darstellen. Für die west- und mitteleuropäischen Gesellschaften ist es heute mehr denn je zwingend notwendig, sich mit anderen Kulturen und Religionen umfassender auseinander zu setzen und neue Kommunikationsformen für den viel zitierten Wunsch nach Interkulturalität zu suchen.
Die Ausstellung hat für uns aber gleichzeitig auch einen experimentellen Charakter: Sie versucht zu ergründen, ob und wie (regional bezogene) bildende Kunst einen zeitgenössischen Beitrag zum Austausch verschiedener Kulturkreise leisten kann. Die Ausstellung hier im Ethnologischen Museum Dahlem ist der vorläufige Höhepunkt unserer Annäherung an diese Fragen. Mit mehreren Veranstaltungen rund um die Ausstellung, und zu ihrem Abschluss Ende Januar mit einem internationalen Kongress in Berlin, wollen wir die Diskussionen und Auseinandersetzungen um die vielfältigen Dimensionen der kulturellen Globalisierung begleiten und bereichern.
Lassen Sie mich zum Schluss allen danken, die sich auf das Experiment Ausstellung so couragiert, motiviert und mit unermüdlichem Einsatz eingelassen haben. Ohne unseren Kurator Jörg Löschmann gäbe keine Ausstellung. Er ist der Ideengeber, der Sucher, der unermüdliche Vermittler zwischen den Künstlerinnen und Künstlern, zwischen Südostasien und der Berliner Stiftungszentrale und dem Museum Dahlem.
Auch der Leiterin unseres Südostasienbüros in Chiang Mai, Heike Löschmann, gilt unsere besondere Anerkennung. Sie steht seit langem dafür, künstlerische Vermittlungsformen in der politischen Bildungsarbeit der Stiftung konzeptionell und praktisch umzusetzen.
Mein aller größter Dank geht an die sechzig südostasiatischen Künstlerinnen und Künstler, die sich auf diesen intensiven Prozess des konzeptionellen und ästhetischen Austausches eingelassen haben. Allen hier anwesenden 14 Künstlerinnen und Künstlern wünsche einen erfolgreichen Aufenthalt, spannende Diskussionen in den kommenden Tagen. Nehmen Sie bitte die besten Wünsche und den Dank an alle ihre hier nicht anwesenden Kolleginnen und Kollegen mit.
Die Ausstellung nach Berlin zu holen, war nur möglich, weil sich sehr frühzeitig, engagiert und unkompliziert das Ethnologische Museum Dahlem auf die Kooperation eingelassen hat. Hierfür möchte ich ganz besonders und herzlich der Direktorin, Frau Prof.Viola König, danken und insbesondere Frau Dr. Wibke Lobo für ihr Engagement und die Zusammenarbeit mit der Stiftung.
Nicht alltäglich und deshalb hoch von uns geschätzt, ist die sehr praktische Unterstützung der Botschaften Malaysias, der Philippinen, Indonesien, Singapurs. Sehr verehrte Exzellenzen, ganz besonderen Dank an Sie.
Schließlich und stellvertretend für die zahlreichen und vielfach beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Heinrich-Böll-Stiftung möchte ich persönlich Olga Zoller und Andrea Peschel für ihr wundervolles konzeptionelles und organisatorisches Engagement für und rund um die Ausstellung danken.
Herzlichen Dank an Sie für Ihr Interesse und genießen Sie den Abend und die Ausstellung mit uns.