Dass der Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschafts- und Lebensweise im Konflikt steht mit der Liberalisierung des Welthandels, scheint eine Art von Common Sense in der internationalen Ökologie- und Dritten-Welt-Bewegung zu sein. Und in der Tat liegt es ja auf der Hand, dass die heutige Struktur des Weltmarkts und der internationalen Finanzbeziehungen eine starke Triebkraft für die ökologische und soziale Verarmung vor allem in den südlichen Kontinenten ist. Ich sage eine, weil es daneben eine ganze Reihe von hausgemachten Ursachen gibt, die die Eigenverantwortung der Staaten und Regierungen der Dritten Welt betreffen. Die Frage ist, welche Schlussfolgerungen wir aus dieser Diagnose ziehen und welche Therapie daraus folgt. Geht es um eine stärkere Regulierung des Weltmarkts in Form suprastaatlicher Abkommen und Institutionen, um eine Stärkung von Global Government mit dem Ziel, die demokratische, ökologische und soziale Dimension innerhalb der Globalisierung zu stärken, oder stellen wir uns generell gegen die Globalisierung der Wirtschaft und gegen das Prinzip des Freihandels? [...]
Aus meiner Sicht ist die Frontalopposition gegen die ökonomische Globalisierung theoretisch und politisch fragwürdig, von ihren mangelnden Erfolgsaussichten ganz zu schweigen. Gerade vor dem Hintergrund der europäischen Erfahrung gehe ich davon aus, dass auf längere Sicht ökonomische Integration wohlstandsfördernd ist, dass sie friedensbildend wirkt und dass sie die Herausbildung von Demokratie und Rechtsstaat fördert. Ob diese Potentiale zum Tragen kommen, hängt von den politischen Rahmenbedingungen ab, unter denen sie stattfindet. [...]
Die moderne Ökonomie braucht einen rechtsstaatlichen Rahmen, sie braucht ein hohes Maß an Mitbeteiligung und Eigeninitiative. [...]
Die größte Gefahr für die armen Länder des Südens, ich sage das als zugespitzte These, ist nicht ihre Integration in den Weltmarkt, sondern dass sie ökonomisch abgehängt und aus dem Weltmarkt verdrängt werden. Das ist eine Gefahr, die etwa für Teile Afrikas sehr real ist. Die soziale und ökologische Entwicklung des Südens braucht massive Investitionen aus dem Norden, und zwar private Investitionen. [...]
Die Europäische Union als Leitbild
Die Europäische Union kann als Leitbild für die Gestaltung der Globalisierung über Europa hinaus dienen, zunächst für regionale Zusammenschlüsse in anderen Kontinenten, aber auch für die Architektur globaler Institutionen und Regeln für den Weltmarkt. Die Europäische Union basiert zum einen auf der tatsächlichen Herstellung eines Binnenmarkts bis hin zu einer gemeinsamen Währung und einer europäischen Zentralbank. Der gemeinsame europäische Markt war immer ein politisches Projekt, es war nie rein ökonomisches Projekt. [...]
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Vier Projekte für eine nachhaltige Globalisierung
Aus meiner Sicht gibt es vier Hauptprojekte, auf die wir uns im Sinne einer globalen Allianz für Nachhaltige Entwicklung, konzentrieren sollten.
- Ein Nord-Süd-Pakt für eine nachhaltige Energieversorgung. Das könnte ein zentrales Projekte sein für Rio+10, für den Weltgipfel für Umwelt und Entwicklung 2002 in Johannesburg. [...]
- Eine globale Initiative für "Fair Trade". Dazu gehört die verbindliche Vereinbarung sozialer und ökologischer Mindeststandards für Investitionen und Produkte im Rahmen multilateraler Abkommen, die auch für die WTO bindend sein müssen. [...]
- Der Ausbau von "Clean Development-Mechanismen". Ich glaube, dass die Institutionalisierung handelbarer Zertifikate nicht nur ein bedeutendes Finanzierungsinstrument für Nachhaltige Entwicklung im Süden werden kann, sondern auch entscheidend dafür ist, dass das System der relativen Preise auf dem Weltmarkt sich so verändert, dass CO2-intensive Produkte verteuert werden und CO2-arme Produkte einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil bekommen. Damit entsteht ein starker ökonomischer Anreiz für ökologisches Investment und ökologische Technologien.
- Ein stärkerer Schuldenabbau für die Staaten der Dritten Welt, um ihre Entwicklungsbedingungen zu verbessern und den Druck auf Exporte um jeden Preis zu mindern. Ich bin durchaus dafür, dass dieser Schuldenabbau konditioniert wird und die entsprechenden Zinsersparnisse investiert werden müssen in Bildung, in Armutsbekämpfung und in Umweltschutz in den Ländern des Südens. Das ist keine neue Form des Kolonialismus, sondern ein Beitrag zur Durchsetzung von "good governance" im Interesse der Bevölkerung.