Die Wärmewende wurde oft als „schlafender Riese der Energiewende“ bezeichnet, denn die Hälfte unserer Endenergie verbrauchen wir in Form von Wärme. Nur 17 Prozent davon sind regenerativ. Nun rächt es sich, dass in den letzten 15 Jahren die Klimaschutzmaßnahmen im Gebäudebereich nur sehr zögerlich angefasst wurden. Das Heizungsgesetz (GEG-Novelle) hat nun dafür gesorgt, dass der Riese endgültig aufgewacht ist. Den Rahmen für das Heizungsgesetz setzt das Wärmeplanungsgesetz. Die Wärmeplanung ist eine Herausforderung, aber auch eine Chance für Kommunen und Bürge*innen ist.
Das Wärmeplanungsgesetz bringt den Umbau des Wärmesektors auf Kurs
Bei der hitzigen Diskussion über beide Gesetze, die die Wärmewende voranbringen sollen, darf man nicht vergessen: Sie wurden vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine um ein Jahr vorgezogen, weil Konsens in der Bundesregierung herrschte, dass nur der schnelle Ausbau erneuerbarer Energien die Abhängigkeit von russischem Erdgas und überhaupt fossilen Brennstoffen beendet („Freiheitsenergien“) und mittelfristig stabile Energiepreise gewährleistet. Die beiden Gesetze sind aber auch die praktische Konsequenz aus dem Klimaschutzgesetz, das 2021 von der damaligen schwarz-roten Koalition unter Angela Merkel verschärft wurde. Es sieht vor, dass Deutschland im Jahr 2045 klimaneutral sein muss und folglich ab diesem Zeitpunkt keine fossilen Heizungen mehr betrieben werden dürfen.
Heizungsgesetz und Wärmeplanungsgesetz: Wie gehören die beiden zusammen?
Um beide Gesetze hat es 2023 eine lange Auseinandersetzung gegeben, aber nun steht der Rahmen: Das novellierte Gebäudeenergiegesetz (GEG) ist zwar zum 1.1.2024 in Kraft getreten; der Stichtag, zu dem nur noch Heizungen eingebaut werden dürfen, die zu 65% erneuerbare Wärme bereitstellen, ist aber der 1. Juli 2028. Bis dahin müssen alle Kommunen eine Wärmeplanung vorgelegt haben. Für Großstädte gilt als Stichdatum 1.7.2026.
Die Umrüstpflichten nach dem GEG gelten ab 2026 bzw. 2028, auch wenn die kommunale Wärmeplanung nicht abgeschlossen ist. Umgekehrt gelten sie aber nicht früher, wenn die Kommune den Wärmeplan vorzeitig vorlegt. Ausnahmen von der Umrüstpflicht bestehen in Neu- oder Ausbaugebieten von Wärmenetzen oder Wasserstoffnetzen. In diesen Gebieten legt die Kommune per Beschluss fest, dass dort verbindlich ein Wärme- oder Wasserstoffnetz kommen wird. Eigentümer*innen in diesen Gebieten haben eine 10jährige Übergangszeit, wenn sie einen Anschlussvertrag an das Wärmenetz abschließen. In der Realität wird das selten vorkomme. Darüber hinaus ist die Wärmeplanung eine rechtlich unverbindliche, strategische Planung, die nur die Wahrscheinlichkeit einer bestimmten Wärmeversorgungsart beschreibt. Die rechtliche Verbindlichkeit kommt erst über das GEG.
Die Wärmeplanung: Orientierung für betroffene Akteure und verbesserte Investitionssicherheit
Die Wärmeplanung gibt für die Gebäudeeigentümer*innen grob gesagt Auskunft darüber, ob es sich lohnt in einem bestimmten Gebiet auf ein Fern- bzw. Nahwärmenetz zu hoffen und deswegen mit dem Kauf einer Wärmepumpe oder einer anderen GEG-kompatiblen Heizung zu warten. Sie schafft damit sowohl für Eigentümer*innen als auch für Wärmenetzbetreiber Investitionssicherheit.
Bis die Umrüstpflicht tatsächlich gilt, darf man alle Heizungen einbauen – auch Erdgas- oder Ölheizungen. Allerdings besteht bei diesen Heizungen die Pflicht, mit einem stetig steigenden Anteil erneuerbaren Brennstoffs zu heizen – also Biomethan o.ä. Um die Eigentümer*innen vor wirtschaftlichen Fallstricken zu bewahren, ist man verpflichtet sich vor der Anschaffung beraten zu lassen. Für alle Beteiligten – Kommunen, Netzbetreiber und Gebäudeeigentümer*innen – ist es günstig, wenn bereits zu Beginn des Prozesses kommuniziert wird, wo man überhaupt mit einem Wärmenetz rechnen kann. Das ist realistisch nur in Gebieten der Fall, in denen es entweder eine hohe Wärmeabnahme pro Trassenmeter zu erwarten ist oder eine günstige regenerative Wärmequelle (Abwärme aus industrieller Produktion, Abwasser- oder Flusswasserwärme, Geothermie) vorhanden ist, die man mit Großwärmepumpen erschließen kann – am besten beides.
In anderen Gebieten zahlt sich das Warten eigentlich nicht aus. Denn parallel zum GEG wurde auch die Heizungsförderung angepasst. Diese belohnt die Schnellentschlossenen beim Kauf einer Wärmepumpe: Jeder bekommt 30 Prozent Grundförderung, aber nur diejenigen, die einen Wärmepumpe kaufen bevor das GEG für die gilt, bekommen noch 20 % oben drauf. Außerdem gibt es noch 30 % für Geringverdiener und 5% für die Nutzung von Geothermie bzw. Abwärme oder natürliche Kältemittel – maximal aber 70 %. Die Förderung ist auf 30.000 € gedeckelt.
Das erwartet die Akteure: Chancen für Preisstabilität, Wohlstandssicherung und Klimaschutz
Gefragt sind zunächst die Kommunen – sie müssen den Prozess koordinieren und steuern. Die Wärmeplanung wird – nach Umsetzung durch die Länder - zu einer kommunalen Pflichtaufgabe, um einen wichtigen Teil der Daseinsvorsorge zu gewährleisten, nämlich eine sichere und zukunftsfähige Wärmeversorgung. Kommunen sollten im Prozess der Wärmeplanung die Chance nutzen, bestehende Planungen daraufhin zu überprüfen, wie sie strategisch in Bezug auf regionale Wertschöpfungsketten und Klimaschutz aufgestellt sind und ggf. nachsteuern. Haben sie Akteure, die mit ihnen an einem Strang ziehen? Haben sie Wärmequellen und Flächen für die erneuerbare Energieerzeugung gesichert? Die Wärmeplanung sollte mit einem politischen Beschluss starten und wird nur dann erfolgreich sein, wenn die Verwaltungsspitze dahintersteht. Am besten ist es, wenn die Kommunen auch den Projektsteuerer stellen und die Planungsbüros selbst beauftragen.
Planung alleine reicht nicht: Die konkrete Umsetzung braucht Spezialist*innen für den Bau und Betrieb von Wärme- und Energienetzen
Zu Beginn des Prozesses, an dessen Ende ein Zielszenario steht, sollte die Kommune sich fragen, ob sie einen Akteur hat, mit dem sie neue regenerative Wärmenetze umsetzen kann. Häufig sind das Stadtwerke oder regionale Energieversorger. Die etwa 1.000 Stadtwerke in Deutschland sind jedoch in Bezug auf erneuerbare Wärme sehr unterschiedlich aufgestellt: Manche haben den Um- oder Neubau von Wärmeinfrastrukturen schon fest in ihrer Unternehmensentwicklung verankert (z.B. Stadtwerke Rostock, Karlsruhe, Ludwigsburg, Lemgo, um nur einige zu nennen). Andere allerdings halten als Erdgasverteilnetzbetreiber an diesen Infrastrukturen fest und nähren die Hoffnung, dass diese bis 2045 mit 100 % grünem Wasserstoff betrieben werden können. Das ist in den meisten Fällen unwahrscheinlich.
Auf alle Fälle sollten Stadtwerke als kommunale Unternehmen, die der Daseinsvorsorge und damit dem Gemeinwohl verpflichtet sind, den konsequenten Umbau der Wärmeinfrastrukturen in Richtung Klimaneutralität anstreben. Das schließt viele neue Geschäftsfelder ein wie z.B. Wärmecontracting und Wärmepumpenleasing. Neue regenerative Wärmenetze sind allerdings als langlebige Infrastruktur besonders zu Beginn keine Cashcows. Allein gut isolierte Stahlrohre für den Betrieb von Mitteltemperaturnetzen mitsamt der Tiefbauarbeiten sind teuer in der Anschaffung. SIe zahlen sich durch langfristigen Betrieb und geringe Wartungs- und Reparaturkosten aus. Die Kommunen können durch ihre Vertreter in den Aufsichtsräten auf eine entsprechende Geschäftspolitik hinwirken – vorausgesetzt sie lockern ihre Erwartungen hinsichtlich der Gewinnabführung in den kommunalen Haushalt.
Hat die Kommune keine eigenen Stadtwerke, kann sie natürlich mit privaten Wärmenetzbetreibern oder Genossenschaften zusammenarbeiten oder eigene Wärmeliefergesellschaften gründen, die explizit keine oder nur eine geringe Renditeerwartung haben. Hier kann die Kommune die Unternehmensziele unmittelbar mitbestimmen und für moderate Endverbraucherpreise sorgen. Dieser Weg wird zunehmend in Kommunen z.B. in Baden-Württemberg beschritten, das auf Landesebene schon vor dem WPG eine Wärmeplanung beschlossen hat.
Vorfahrt für die Effizienz: Wärme im Gebäude halten
Die Wärmewende vor Ort hat noch weitere Handlungsfelder. Das betrifft den gesamten Bereich der Energieeffizienz in Gebäuden. Hier muss gelten: Efficiency first! Die beste Energie ist nach wie vor die, die nicht verbraucht wird.
Kommunen haben große Hebel, um diese Effizienzpotenziale zu heben. Das lässt sich in Modellkommunen besichtigen, z.B. in Bottrop oder Emmendingen. Im Bottroper Stadtteil Batenbrock haben ein Wirtschaftsbündnis und die Stadt Bottrop die „InnovationCity Ruhr“ ins Leben gerufen. Dort wurden 37 % der Wohngebäude energetisch modernisiert – eine Sanierungsrate von 3,3%. Der Bundesdurchschnitt liegt bei unter einem Prozent. Die CO2-Emissionen haben sich innerhalb von 10 Jahren halbiert. 733 Millionen Euro wurden investiert, zwei Drittel davon aus privater, ein Drittel aus öffentlicher Hand. Davon profitiert hat das lokale Handwerk. Die Stadt Emmendingen hat ein eigenes Energieberater- und Handwerkernetzwerk gegründet und somit eine Sanierungsrate von 2,5 % erreicht.
Schließlich sind auch private Unternehmen gefordert, die Wärmewende vor Ort mitzugestalten – z.B. indem sie ihre eigenen Gebäude klimaneutral machen und unter Umständen Abwärme für lokale Wärmenetze zur Verfügung stellen.
Wasserstoff: Fallstricke, die man vermeiden sollte
Das Wärmeplanungsgesetz bietet auch die Möglichkeit, Wasserstoffnetzausbaugebiete für den auszuweisen. Für die Energieversorger, die Erdgasverteilnetze betreiben, ist das eine Möglichkeit ihre Assets nicht abschreiben zu müssen. Für diese Gebiete ist ein verbindlicher Fahrplan zur Umstellung auf 100 % grünen Wasserstoff bis 2045 erforderlich, mit Zwischenzielen für 2035 und 2040. Experten rechnen allerdings nicht damit, dass bis 2045 ausreichend grüner Wasserstoff für die Bestückung von Erdgasverteilnetzen zur Verfügung steht. Das macht energiepolitisch auch keinen Sinn, da der regenerative Strom im Wärmesektor ca. fünfmal effizienter mit Wärmepumpen eingesetzt werden kann als mit H2-Brennwertkessel.
Grüner Wasserstoff würde in der erforderlichen Menge im Ausland beschafft werden müssen und wäre daher teuer. Blauer Wasserstoff, mit dem die Netze bis 2045 noch betrieben werden dürfen, wäre nicht klimaneutral und somit auch teuer, da er mit einem steigenden CO2-Preis belegt werden würde.
Die Wasserstoffvorranggebiete sind für die Endverbraucher*innen mit großen Kostenrisiken verbunden, besonders für Mieter*innen, die die Entscheidung über ihre Heizung nicht selbst treffen können. Es bleibt zu hoffen, dass Kommunen und Energieversorger sich dieser Probleme bewusst sind.
Länder, Kommunen, Versorger und Gebäudeeigentümer*innen: Was jeder tun sollte
Gebäudeeigentümer*innen haben mit der GEG-Novelle jetzt Zeit gewonnen, sollten sich aber frühzeitig über die Pläne der Kommunen informieren und überlegen, welche Heizung für sie mittelfristig günstig ist. Auch die Gebäudehülle spielt dabei eine große Rolle. Dämmmaßnahmen zahlen sich über kurz oder lang aus und erhöhen den Wohnkomfort. Für den Betrieb einer Wärmepumpe reichen auch im Altbau schon moderate Maßnahmen wie Dachdämmung, Heizkörpertausch und Neueinstellung der Heizkurve aus. Man kann die energetische Modernisierung auch über einen längeren Zeitraum strecken. Bei der Planung hilft ein individueller Sanierungsfahrplan, dessen Erstellung sehr gut gefördert wird. Diese Investitionen sichern den Wert des Gebäudes – unsanierte Häuser verkaufen sich inzwischen schlecht.
Eines ist auf alle Fälle klar: Wenn Deutschland nicht in den Klimaschutz investiert, wird das, wie in anderen Ländern auch, sehr teuer. Einer aktuellen Studie des BMWK zufolge kosten die Folgen des Klimawandels bis 2050 alleine unser Land im günstigsten Fall 280 Mrd. € und im schlimmsten 900 Mrd. €. Die Wärmewende ist damit, wie die Energiewende insgesamt, ein Gesellschaftsprojekt.