Kaum ein anderes Klimaschutz-Instrument hat in den letzten Monaten die öffentliche Debatte so sehr geprägt wie das der CO2-Bepreisung. Stefanie Groll kommentiert die Bedeutung und die Rolle von CO2-Bepreisung für ambitionierten Klimaschutz.
Seit 2005 gibt es den europäischen Emissionshandel. Damit werden Treibhausgasemissionen aus bestimmten Industrie- und Stromerzeugungsanlagen bepreist. Seit dem 1. Januar 2021 gibt es zudem den so genannten nationalen Emissionshandel. Der nationale Emissionshandel bepreist Emissionen, die im Verkehr und bei der Wärmeerzeugung entstehen. Dieser CO2-Preisaufschlag auf Kraft- und Heizstoffe ist das Aushängeschild des so genannten Klimaschutzpakets der Bundesregierung aus dem Herbst 2019. Mit dem Klimaschutzpaket will die Bundesregierung den Treibhausgasausstoß bis 2030 um 55 Prozent reduzieren (im Vergleich zu 1990). Zudem soll das Klimaschutzpaket sicherstellen, dass Deutschland seinen Anteil daran leistet, dass die Pariser Klimaschutzziele erreicht werden. Davon ist das Klimaschutzpaket selbst auf dem Papier weit entfernt: Tatsächlich müssten die CO2-Emissionen bis 2030 zwischen 65 und 85 Prozent gesenkt werden.
Der Preis auf CO2 sendet ein Signal für Klimaschutz
Grundsätzlich ist es für den Klimaschutz notwendig, dass CO2 -Emissionen einen Preis bekommen. Es ist ein wichtiger Schritt in Richtung Klimagerechtigkeit, wenn Klimaverschmutzung die Verursacher/innen etwas kostet. Solange die Folgekosten nicht in Rechnung gestellt werden, wird Klimaschutz bei Investitionsentscheidungen nicht ausreichend berücksichtigt. Oder anders gesagt: Nur wenn der CO2-Ausstoß teuer genug ist (nämlich teurer als CO2 einzusparen), werden Unternehmen und Haushalte, den CO2-Ausstoß vermindern. Diese Lenkungswirkung des Preises ist eine Grundannahme für CO2-Bepreisungsmodelle. Die Wirksamkeit, also das Emissionsminderungspotenzial der CO2-Bepreisung ergibt sich einerseits aus der Lenkungswirkung der Preise (Anreizseite) und daraus, was mit den Erlösen gemacht wird (Rückverteilungsseite).
Die Emissionsminderungen durch eine gezielte Energiewende- und Klimaschutzfinanzierung (Rückverteilungsseite) könnten je nach Preisniveau sogar größer sein als die Lenkungswirkung durch Preise (Anreizseite). Der CO2-Aufschlag für Heiz- und Kraftstoffe, der seit Januar in Deutschland gilt, ist bisher mit 25 Euro je Tonne sehr niedrig. Die tatsächlichen Schadenskosten werden auf rund 195 Euro geschätzt. Auch wenn der CO2-Preis in Deutschland weiter ansteigen wird, bleibt die Lenkungswirkung gering (Umweltbundesamt 2020). Insofern lässt sich der nationale Emissionshandel eher als ein Instrument der Mittelbeschaffung charakterisieren. Damit der Preis auch auf der Anreizseite stärker wirkt, müsste er ausreichend hoch sein, was bislang weder im europäischen Emissionshandel noch beim nationalen CO2-Preis der Fall ist.
Verteilungseffekte müssen kompensiert werden
CO2-Bepreisung zieht immer Verteilungseffekte nach sich, die teilweise ausgeglichen werden müssen. Private Haushalte und Unternehmen sind unterschiedlich stark von der CO2-Bepreisung betroffen. Bei den privaten Haushalten je nach Einkommen, bei den Unternehmen je nach Branche und Energieintensität. Wie schnell können Verbraucher/innen auf die höheren CO2-Kosten reagieren und sie vermeiden? Wer bekommt in welcher Höhe und zu welchen Bedingungen Kompensationen dafür, wenn Heizen teurer wird? Wie wird die Rückverteilung organisiert? Inwiefern werden Unternehmen unterstützt, die ihre Wertschöpfung ins Ausland verlagern wollen, weil hierzulande Energie- und Kraftstoffpreise steigen? Nach welchen Kriterien wird gefördert? Es gibt viele Möglichkeiten, die wirtschaftlichen Härten zu kompensieren, die durch Verteilungseffekte entstehen. Im Sinne einer sozialökologischen Modernisierung ist es wichtig, dass einkommensschwache Haushalte Kompensationen erhalten.
Ein neues CO2-Bepreisungsystem wird nicht „auf der grünen Wiese“ gebaut. In jedem Land, so auch in Deutschland, gibt es bereits Steuern, Abgaben und Umlagen auf Gas, Öl und Kohle. Die Brennstoffe werden je nach Einsatzort, zum Beispiel bei der Wärmeerzeugung oder dem Verbrennungsmotor im Pkw, unterschiedlich stark besteuert. Ein neues CO2-Bepreisungssystem muss an das vorfindliche System aus Steuern, Abgaben und Umlagen angepasst werden, um rechtlich zu funktionieren und um effektiv zu sein. Oder man muss das System aus Steuern, Abgaben und Umlagen grundlegend erneuern. Man kann sich vorstellen, dass es viel Zeit und viel politisches Kapital braucht, um ein über Jahrzehnte gewachsenes System umzubauen - Stichwort Pfadabhängigkeit.
Die CO2-Bepreisung alleine reicht nicht
Ein CO2-Preis ist nicht das „Allheilmittel“ für die sozial-ökologische Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft. Es ist ein breites Instrumentenpaket notwendig. Gerade im Wärme- und Verkehrssektor sind gezielte Förderung von Klimaschutztechnologien wie emissionsarme Heizsysteme und Ordnungsrecht wie Flottengrenzwerte zentrale Hebel zur Emissionsminderung. Der CO2-Preis ist dabei ein wichtiger Baustein im Instrumentenkasten und kann die notwendigen Finanzmittel generieren. Viele Klimaschutzinvestitionen rechnen sich unter heutigen Rahmenbedingungen erst bei hohen, dreistelligen CO2-Preisen. Infolgedessen hat der CO2-Preis nur eine begrenzte Wirkung auf die Entwicklung neuer Technologien und Innovationen, die dringend gebraucht werden. In anderen Fällen rechnen sich manche Maßnahmen schon heute. Aber es hakt an anderen Hemmnissen wie z.B. einer ausreichenden Infrastruktur für Elektromobilität.
Mehr Informationen und Einordnungen zur CO2-Bepreisung
Die Ausgestaltungs- und Wirkmechanismen verschiedener CO2-Bepreisungsmodelle haben wir in dem dreiteiligen „Grundkurs-CO2-Bepreisung“ Mitte Januar 2021 dargestellt. Hier finden Sie die Aufzeichnung auf Youtube und hier die Folien. Eine systematische Betrachtung der relevanten Elemente einer CO2-Bepreisungsstrategie finden sich auch in dieser Studie.
Die Autorin dankt Swantje Fiedler (FOES) und Maita Schade (Agora Verkehrswende) für ihre Einschätzungen und ihr Feedback. Die Verantwortung für den Inhalt trägt die Autorin.