Mehr Transparenz im Rohstoffsektor

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Ölraffinerie von ConocoPhillips in Kalifornien. Foto: Thomas Hawk, Quelle: Flickr, Lizenz: CC BY-NC 2.0 

11. Oktober 2012
Heidi Feldt

Zugängliche und verständliche Informationen über die Zahlungen von Bergbau-, Erdöl- und Erdgasunternehmen an öffentliche Stellen sind eine wesentliche Voraussetzung, damit Bürgerinnen und Bürger rohstoffreicher Länder von ihren Regierungen Rechenschaft über den Verbleib der Gelder aus der Rohstoffwirtschaft einfordern können. Und höchstwahrscheinlich sind diese Angaben auch für die Arbeit der Finanzbehörden von Staaten wie Osttimor hilfreich, die versuchen, von den Erdöl- oder Bergbauunternehmen den ihnen zustehenden Anteil zu erhalten. Seit die Erdgasfelder vor der Küste des jungen Staates Osttimor in Produktion gingen, vermutet die Regierung, dass die Konzerne Woodside Petroleum (Australien) und ConocoPhillips (USA) nur einen Bruchteil der Steuern und Abgaben abführen, zu denen sie laut Gesetz und Vertrag verpflichtet wären – ohne dies jedoch beweisen zu können. Da die Firmen ihre Hauptsitze im Ausland haben, wurden auch die Finanztransaktionen über die Heimatländer abgewickelt. Erst 2010 konnte Osttimor die Unternehmen zwingen, ihnen ihre Bücher zugänglich zu machen. Laut Emilia Pires, Ministerin für Finanzen, konnten seitdem 362 Mio. US $ an nicht gezahlten Steuern eingefordert werden. Sie schätzt die entgangenen Einnahmen auf insgesamt drei Milliarden US$ (vgl. "Taxing Times in Timor").

Eine Offenlegungspflicht würde sowohl den Bürgerinnen und Bürgern rohstoffreicher Staaten helfen und Korruption zumindest erschweren, als auch es Unternehmen behindern, Steuern und Abgaben zu vermeiden.

Ab September 2013 müssen nun Bergbau-, Erdöl- und Erdgaskonzerne, die an US Börsen gehandelt werden, ihre Zahlungen an Regierungen offenlegen. So sieht es der Abschnitt 1504 des Dodd Frank Gesetzes (Dodd-Frank Financial Reform and Consumer Protection Act) in den USA vor. Im August 2012 hat die US-amerikanische Börsenaufsicht die entsprechenden Umsetzungsbestimmungen verabschiedet. 1101 Unternehmen aus dem extraktiven Sektor werden davon betroffen sein, darunter auch chinesische Unternehmen wie PetroChina, China Petroleum and Chemical Corpoation (SINPEC) und Chinalco, Chinas größter Aluminiumhersteller. Alle sind an der New Yorker Börse gelistet. Sie müssen projektgenau alle Zahlungen an die Regierung sowie an regionale oder lokale Gebietskörperschaften, die einen Betrag von 100.000 US$ entsprechen oder überschreiten, offenlegen. Es müssen Zahlungen für die Exploration, den Abbau, die Weiterverarbeitung und den Export angegeben werden.

Mit diesem Gesetz und den Umsetzungsbestimmungen wurde ein wichtiger Schritt zu mehr Transparenz im Rohstoffsektor getan. Und die EU könnte bald ähnliche Vorgaben erlassen, wenn EU Ministerrat, das Europaparlament und die EU Kommission sich darauf einigen. Aber soweit sind wir noch nicht.

Zur aktuellen Debatte auf europäischer Ebene

Im Oktober 2011 hat die EU Kommission zwei Richtlinienentwürfe (1) vorgelegt, die sowohl börsennotierte wie große, nicht-börsennotierte verpflichten soll, ihre Zahlungen an staatliche Stellen weltweit offenzulegen. Diese Zahlungen umfassen die wirtschaftlichen Aktivitäten der Exploration und Gewinnung von Rohstoffen (Mineralien, Erdöl, Erdgas und Primärholz). Handel und Weiterverarbeitung sind – anders als in den USA - nicht betroffen.

Diese Richtlinienentwürfe liegen dem Rat der Europäischen Union und dem Parlament vor. Der zuständige Rechtsausschuss des Parlaments (JURI) hat Mitte September 2012 bereits positiv darüber abgestimmt und geht sogar noch einen Schritt weiter, in dem die Offenlegungspflicht auf Länderebene auch auf Banken, Telekommunikation und den Infrastruktursektor ausdehnt. Aber noch kann die Transparenzinitiative auf EU Ebene verwässert werden oder sogar scheitern, da der Rat der EU eher unternehmerfreundlich agiert und u.a. eine projektgenaue Offenlegungspflicht ablehnt. Die Bundesregierung hat leider eine sehr unternehmensnahe Position bezogen und bisher eher bremsend gewirkt. Jetzt muss in dem Trilog zwischen Rat, Parlament und Kommission eine Lösung gefunden werden.  

Wichtig Forderungen an die EU sind dabei aus Sicht der Zivilgesellschaft vor allem:

  • Eine projektgenaue Offenlegungspflicht für börsennotierte und große Unternehmen im Rohstoffsektor;
  • Keine Ausnahmen von dieser Regelung zulassen, um nicht korrupten Regierungen und korrumpierenden Unternehmen Schlupflöcher zu öffnen;
  • Den US Richtlinien bezüglich der Höhe der Schwellenwerte für Zahlungen und der Einbeziehung von Handel und Weiterverarbeitung folgen. 

Da es auch in anderen Ländern mittlerweile Initiativen für eine verbindliche Offenlegungspflicht (z.B. in Kanada)  gibt, kann Europa entweder rückwärtsgewandt geringe Standards erlassen oder die Chance ergreifen, Transparenz in diesem bestechungs- und korruptionsanfälligen Sektor aktiv zu gestalten.
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(1) Anpassung der Transparenzrichtlinie 2004/109/EG für börsennotierte Unternehmen (COM[2011]683) und der Rechnungslegungsrichtlinien 78/660/EWG (Anforderungen an den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen) sowie 83/349/EWG (konsolidierter Abschluss) (COM[2011]684).

Dr. Heidi Feldt ist entwicklungspolitische Beraterin und u.a. Ansprechpartnerin für die "Publish what you pay"-Kampagne in Deutschland.
Logo des EU-Lateinamerika-Gipfel 2013, Santiago, Quelle: minrel.gob.cl

Am 26./27. Januar 2013 findet in Santiago de Chile der VII EU-Lateinamerika-Gipfel der Staats- und Regierungschefs statt. Die Frage ist, ob die vielbeschworene biregionale Partnerschaft neben Handels-Interessen auch mit einer politischen Vision angereichert werden kann. Wir sind dabei und bieten Ihnen Hintergrundinformationen zur Rohstoff-Debatte sowie Analysen und Berichte von dem Gipfel in Santiago.  mehr»