Klimawandel und Gender

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14. Juli 2008
Christine Bauhardt
Von Christine Bauhardt

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Ressourcenpolitik und Geschlechtergerechtigkeit – Probleme lokaler und globaler Governance

Das Thema meines Vortrags steht im Kontext meiner Forschungen zum Zusammenhang von nachhaltiger Entwicklung und Geschlechterverhältnissen in einer globalen Perspektive. Als Politikwissenschaftlerin interessieren mich dabei insbesondere Fragen nach der politischen Gestaltung von gesellschaftlichen Prozessen. Mit dem Konzept der Ressourcenpolitik fasse ich den Zugang zu Ressourcen, die Nutzung von Ressourcen und die politische Gestaltung des Umgangs mit Ressourcen. Ausgangspunkt meines Beitrages ist die These, dass die aktuelle Umwelt- und Klimadebatte maßgeblich zur Verfestigung von ökonomischer und sozialer Ungleichheit in den Geschlechterverhältnissen beiträgt und dass hegemoniale Konzepte zur Integration einer Gender-Perspektive nicht dazu geeignet sind, diese Ungleichheiten aufzulösen, sondern sie eher noch verstärken. Die Frage, die sich daran anschließt, ist die nach einer herrschaftskritischen und geschlechtergerechten Ressourcenpolitik. Ich werde diese im Rückgriff auf ein feministisches Nachhaltigkeitsverständnis im Sinne von Sustainable Livelihood entwickeln.

Von CO2-Äquivalenten und einer neuen Mondmission

Die Umweltthematik hat in der jüngsten Vergangenheit politische und publizistische Aufmerksamkeit erfahren, nachdem sie in den Jahren davor fast völlig aus der Wahrnehmung geraten war. Unter dem Stichwort „Klimawandel“ haben umweltbezogene Themen unerwartet neuen Aufwind bekommen. Allerdings muss man fragen, ob es tatsächlich diejenigen Themen sind, die die Umwelt- und Nachhaltigkeitsforschung seit Jahren vom wissenschaftlichen und politischen Mainstream quasi unbeachtet bearbeitet, die nun im Zentrum der Debatte stehen. Oder wurde mit dem Stichwort „Klimawandel“ möglicherweise eine Chiffre gefunden, um diese hoch konfliktgeladenen und unpopulären Themenfelder elegant zu umgehen?

Zunächst einige Stichworte zu den Themen, die in der Klimadebatte Konjunktur haben:

Treibhausgase und Klimaerwärmung

Die Debatte um den Klimawandel wird vor allem mit der Forderung verbunden, den Ausstoß des Treibhausgases CO2 zu reduzieren, damit die globale Erwärmung unterhalb von 2° Celsius im Verhältnis zum vorindustriellen Niveau bleibt. Zum Vergleich: Heute liegen die Durchschnittstemperaturen etwa 0,8°C über denen der vorindustriellen Zeit (Meinshausen 2008: 19). Eine Reihe von internationalen Abkommen regeln diese Begrenzung der Emissionen. Die wichtigsten sind die Klimarahmenkonvention, die beim UN-Gipfel für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro 1992 verhandelt wurde, und das zugehörige Kyoto-Protokoll, das 1997 beschlossen wurde, 2005 in Kraft trat und 2012 auslaufen wird.

Um die 2°-Grenze der Erderwärmung nicht zu überschreiten, müssen die CO2-Emissionen im Bereich von 400ppm CO2-Äquivalent pro Kopf oder darunter stabilisiert werden. Das bedeutet, dass die weltweiten Emissionen bis 2050 um 50% gesenkt werden müssen und der globale Pro-Kopf-Ausstoß an Treibhausgasen um 70% zu reduzieren ist (ebd.). Der derzeitige globale Durchschnittswert der Pro-Kopf-Emissionen von 5,6 t CO2-Äquivalent müsste dafür auf etwa 1,1 bis 1,4 t CO2-Äquivalent pro Kopf gesenkt werden (Höhne 2008).

Die Autoren solcher Berechnungen erkennen mehr oder weniger explizit an, dass diese gesetzten Werte nicht so absolut sind wie sie erscheinen. Die beiden hier genannten Autoren zum Beispiel schwanken bei der Bewertung von Reduktionszielen: Während Meinshausen das Niveau von unter 400ppm CO2-Äquivalent oder darunter ansetzt, damit die 2°C-Grenze gehalten werden kann, hält Höhne 450ppm für eine „relativ strikte langfristige Zielsetzung“ (Höhne 2008: 35).

In neuere Berechnungsmodelle wird ebenfalls mit einbezogen, dass der globale Durchschnittswert an Pro-Kopf-Emissionen über die realen Emissionen und damit den Energieverbrauch im globalen Norden sowie in den Schwellenländern und in den am wenigsten industrialisierten Ländern des Südens wenig Relevantes aussagt. Immerhin eignet sich gut ein Viertel der Weltbevölkerung etwa drei Viertel der globalen Ressourcen an. Darüber hinaus weisen die Pro-Kopf-Verbräuche enorme Diskrepanzen auf zwischen den Wohlstandskonsumenten des Nordens und zunehmend auch der Industrieländer des Südens und den Armen in den jeweiligen Ländern und weltweit (Santarius 2008). Auch die 2°C-Grenze im Vergleich zum vorindustriellen Niveau ist keine absolute und natürliche, sondern eine normative Setzung, auf die sich die Staaten der multilateralen Klimapolitik in den Verhandlungen seit den neunziger Jahren geeinigt haben (AG Soziale Ökologie/BUKO 2008).

Insgesamt sind diese Zahlenspiele der Tatsache geschuldet, dass die Diskussion um Klimawandel und Erderwärmung von naturwissenschaftlichen Zugängen und Methoden dominiert wird. Die Zahlen suggerieren einerseits wissenschaftliche Objektivität, andererseits geben sie immer wieder Anlass zu neuen Berechnungen, aktualisierten Daten oder kontroversen Einschätzungen: Wie viel CO2-Äquivalent muss nun genau reduziert werden und bis wann? Irmgard Schultz hat schon 1996 in einem pointierten Aufsatz „Die Liebe der Männer zu nachhaltigen Zahlen“ kritisiert (Schultz 1996). Die vorgebliche Objektivität der Zahlen erscheint als absolut und unhinterfragbar, sie unterstellt Berechenbarkeit in einem äußerst komplexen Denk- und Handlungszusammenhang – denn es geht ja um nicht weniger als um das globale Ganze.

Handlungsdruck für die Zukunft des Planeten

Schaut man sich die einschlägigen Publikationen an und hört die entsprechenden politischen Verlautbarungen, dann dominiert dort die Rhetorik des sofortigen Handlungsdrucks. Formulierungen wie „Die Menschheit befindet sich an einem Scheideweg“ (Ott 2008: 9) suggerieren den akut bevorstehenden Weltuntergang hinter der nächsten Weggabelung. Um ihn zu verhindern wird ein „weltweiter Apollo-Plan“ gefordert, also ein dem Weltraumprogramm der NASA zur Eroberung des Mondes vergleichbarer finanzieller und intellektueller Kraftakt. „Das klingt pathetisch, aber wir sind wahrlich in einer Situation, in der wir uns solchen [sic] Pathos leisten müssen“, so wird Hans Joachim Schellnhuber, Leiter des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und wissenschaftlicher Chefberater der Bundesregierung in Fragen des Klimawandels und der internationalen Klimapolitik im Tagesspiegel vom Oktober letzten Jahres zitiert.

Können diese mit Weltuntergangsstimmung unterlegten Bedrohungsszenarien tatsächlich politische Handlungsfähigkeit erzeugen? Oder führen sie nicht eher zu Fatalismus bei denjenigen politischen und sozialen Akteuren, die zur Reduktion von Treibhausgasen ihre Entscheidungen, seien es nun Investitionsentscheidungen oder alltägliche Verhaltensentscheidungen, tatsächlich drastisch verändern müssten? Die regelmäßige Wiederholung des bevorstehenden Weltendes, das bereits vom Club of Rom Anfang der siebziger Jahren prognostiziert wurde, wirkt ähnlich abstrakt wie die Zahlenspiele der naturwissenschaftlichen Klimaforschung. Seit dem Erscheinen der „Grenzen des Wachstums“ (Meadows/Meadows 1972) haben sich Indien, China und Brasilien in damals unvorstellbarer Weise industrialisiert und sind zu globalen Wirtschaftsakteuren aufgestiegen, die den Industrieländern des Nordens in ihrem aktuellen Emissionsausstoß in nichts nachstehen. Ganz fatalistisch könnte man ein Liedchen anstimmen: Davon ging die Welt nicht unter... (» weiterlesen)

*Prof. Dr. Christine Bauhardt ist Leiterin des Fachgebiets Gender und Globalisierung an der Humboldt Universität zu Berlin.