Thailands stille Pandemie: Häusliche Gewalt während der COVID-19 Pandemie

Porntip wollte ihrer von Missbrauch geprägten Beziehung entkommen und reichte die Scheidung ein. Doch ihr Mann weigerte sich, zu gehen. Dann sperrten die COVID-19 Maßnahmen der thailändischen Regierung beide im ländlichen Khon Kaen im Nordosten des Landes hinter die gleiche Haustür. Der Drogenmissbrauch ihres Mannes hielt an und die Spannungen zwischen den beiden nahmen zu. So auch die Schläge. Er sagte den Töchtern oft, dass er ihre Mutter umbringen wolle.

schwarzer Frauenschatten hinter zersplitterter Scheibe

Porntip, eine Bäuerin in ihren Dreißigern, wandte sich an die Polizei, um die Gewalt anzuzeigen. Die Polizeibeamten schickten sie nach hause mit der Aussage, dass das doch eine private Angelegenheit sei. “Sie sagten mir, dass ich das Problem mit meinem Mann selbst lösen solle,” berichtet sie. Auch ohne die erhoffte Abhilfe reichte der Gang zur Polizei anscheinend als Drohung aus, denn schließlich zog er aus.

Doch er kehrte immer wieder zurück, oft unerwartet, und bedrohte die Familie. Unter der Anspannung seiner Drohungen und der erschwerenden Lockdown-Situation rief Porntips Schwester (die bei ihr wohnte) die staatliche Hotline 1300 zur Meldung häuslicher Gewalt an. Fünf Tage später kam ein Team des Sozialministeriums trotz Lockdown-Maßnahmen zu ihnen nach hause. Sie fragten, ob Porntip Hilfe brauche und baten ihr eine Unterkunft in einer entlegenen Stadt an. “Ich musste das Angebot ablehnen, weil dieser Ort viel zu weit weg von meinen Kühen ist,” erzählt sie. “Ich bin die einzige, die die Kühe melken und sich um sie kümmern kann.”

Obwohl die staatlichen Dienstleistungen für Frauen, die in Thailand häusliche Gewalt erfahren, in den letzten zwei Jahrzehnten erheblich ausgeweitet wurden, mussten (Frauenrechts-)Vertreter*innen Rückschläge hinnehmen, sogar bevor die COVID-19-Pandemie die üblichen Hilfskanäle unterbrochen hatte. Der Hotline-Dienst, den Porntips Schwester angerufen hatte, war beispielsweise von einem Callcenter pro Provinz auf ein zentrales in der Hauptstadt Bangkok reduziert worden. Vor fünf Jahren erweiterte die Regierung die Hotline für Fälle von Gewalt gegen Frauen und Kinder (darunter auch Fälle von Menschenhandel, Kinderarbeit und Schwangerschaften von Minderjährigen) auf soziale Probleme jeglicher Art.

Die COVID-19-Pandemie und häusliche Gewalt

Die Medien haben den Anstieg von Fällen häuslicher Gewalt während der weltweiten Lockdowns zwar ausführlich thematisiert, aber für Thailand ist die Situation unklar. Statistiken weisen darauf hin, dass sich die Anzahl der Personen, die sich im April an eine der sogenannten “One Stop Crisis”-Zentren in den landesweiten Krankenhäusern gewandt haben, im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt hat - von 85 auf 183. Die dabei erfassten Fälle umfassen sowohl Gewaltakte innerhalb und außerhalb der Familie. Die Krisenhotline 1300 des Sozialministeriums, die sich seit 2013 ausschließlich Fällen von Gewalt gegen Frauen widmete und als bedeutenden politischen Schritt gefeiert wurde, verzeichnete im März und April jedoch einen deutlichen Rückgang an Meldungen häuslicher Gewalt im Vergleich zum Vorjahr.

 “Personen, die häusliche Gewalt erfahren, haben während des Lockdowns möglicherweise Schwierigkeiten, die Hotline zu erreichen, weil diese Nummer mit Anfragen nach Sozialhilfe und finanziellen Zuschüssen überlastet sind,” so ein Mitarbeiter der Hotline, der nicht namentlich genannt werden möchte.

Während die Pandemie den Lebensunterhalt und das Einkommen der Menschen so sehr beeinträchtigte, dass sie ihre Rechnungen nicht zahlen konnten und manchmal sogar nicht genug zu essen hatten, wuchsen die Bedürfnisse andernorts an. Die 24-Stunden-Hotline erreichten im März und April 28,000 Anrufe - mehr als doppelt so viele wie im gleichen Zeitraum im Jahr davor. Bei den meisten Anrufen handelte es sich um Beschwerden oder Fragen zu staatlichen Finanzhilfen.

Selbst unter normalen Umständen werden Fälle von häuslicher Gewalt zu selten angezeigt. Die Vereinten Nationen schätzen, dass sich weniger als 40 Prozent der Frauen, die in ihrem zu Hause misshandelt werden, Hilfe suchen. Obwohl viele Frauen in Thailand die Hilfe von Nichtregierungsorganisationen in Anspruch nehmen, wird angenommen, dass eine große Zahl misshandelter Frauen im Stillen leidet. Laut Boonwara Sumano, Wissenschaftlerin am Thailand Development Institute, werden in Thailand Fälle von häuslicher Gewalt oft von außenstehenden Personen gemeldet, wie zum Beispiel von Lehrer*innen oder Freund*innen, die Anzeichen von Misshandlung bei den Betroffenen wahrnehmen. Durch den Lockdown ist die erste Anlaufstelle weitestgehend unzugänglich, und so können die Täter ihre Ehefrauen oder Partnerinnen davon abhalten, sich Hilfe zu suchen. 

Boonwara vermutet, dass die Gefahr einer Virusinfektion viele Menschen davon abgehalten hat, ein Krankenhaus aufzusuchen. Staatliche und private Frauen- und Kinderschutzhäuser mussten vorbeugende COVID-19-Maßnahmen ergreifen und die Zahl der zu beherbergenden Personen begrenzen oder ihren Dienst ganz einstellen.

Wenn ein Missbrauch nachts stattfindet, berichten die Direktor*innen vieler Nichtregierungsorganisationen, sind die von den Behörden verhängten Ausgangssperren ein weiteres mögliches Hindernis in der Suche nach Hilfe. In einigen Provinzen wurden Straßen abgeriegelt, um die Menschen daran zu hindern, sich fortzubewegen.

Gesellschaftliche Einstellung ist größtes Hindernis für die Inanspruchnahme von Hilfe

Mit oder ohne Pandemie: Das größte Hindernis für Frauen, Gewaltdelikte anzuzeigen, liegt in Thailand an der gesellschaftlichen Gesinnung im öffentlichen Dienst, z.B. bei der Polizei, an die sich Porntip wandte, aber auch bei Frauen selbst.

“Wie in vielen asiatischen Ländern und auf der ganzen Welt wird häusliche Gewalt oft als Familien- oder Privatangelegenheit gesehen, wo sich niemand einzumischen hat”, sagt Supensri Puengkhoksung, Direktorin der Social Equality Promotion Foundation und seit den 1970er Jahren Frauenrechtsaktivistin. Manche Frauen glauben, dass es ein Eingeständnis des Scheiterns ihrer Ehe ist, wenn sie einen Missbrauch melden.

Laut Supensri hält der soziale Status der Täter (in der Regel der Ehemann oder Freund) und die weit verbreitete Einstellung, dass eher die Opfer als die Täter verantwortlich sind, die Frauen weiter davon ab, ihre Meinung zu äußern. "Frauen haben nicht den Mut, andere um Hilfe zu bitten, weil sie Angst haben, dass man ihnen nicht glauben wird", sagt sie.

Außerdem sei es schwer, die geschlechtsspezifische Auffassung von Männern, sie seien “die dominante Spezies”, zu ändern, fügt Supensri hinzu.

Diese gesellschaftliche Haltung kann sich bei Menschen schon früh herausbilden. Laut einer Studie des thailändischen Bildungsministeriums und UNICEF von 2016 zeigen viele Schüler*innen in thailändischen Schulen eine Haltung, die Gleichberechtigung und sexuelle Rechte ablehnt; ca. die Hälfte der befragten Schüler*innen war der Meinung, dass häusliche Gewalt manchmal gerechtfertigt sei.

Femizide in Thailand

Viele Frauenrechtlerinnen meinen, dass Gewalt gegen Frauen zunehmend tödlich geworden ist, obwohl sie auch zugeben, dass die Datenlage über Femizide in Thailand nicht ausreichend erforscht ist.

In jüngster Zeit wurden mehrere Fälle von Femizid gemeldet. Im Februar soll ein Mann in Chiang Rai seine Mutter getötet, zerstückelt und die Leichenteile in einem Kühlschrank verstaut haben. Im Mai wurde ein 53-jähriger Mann in der Provinz Nakhon Phanom angeklagt, weil er seine Frau mit einem Betonstein zu Tode geprügelt und ihre Leiche in einer Klärgrube entsorgt haben soll. Er erklärte der Polizei, er habe die Nase voll gehabt, als er von ihrem siebten Liebhaber erfuhr. Ebenfalls im Mai wurde eine Frau in Chiang Khong des Mordes an ihrem Ehemann angeklagt. Sie sagte, sie habe seine körperlichen Angriffe auf sie nicht mehr ertragen. 

2015 rief die Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für Gewalt gegen Frauen alle Länder dazu auf, eine "Femizid-Beobachtungsstelle" oder eine Beobachtungsstelle für "geschlechtsspezifische Tötung von Frauen" einzurichten. Bislang ist kein Land in Asien dieser Aufforderung nachgekommen.

Neues Gesetz auf Eis gelegt

Thailand ist darum bemüht, den Rechtsrahmen für alle Formen häuslicher Gewalt zu stärken. Eine wichtige Änderung im Rahmen des im Februar 2019 verabschiedeten Gesetzes zum Schutz der Familie (welches das Gesetz zum Schutz von Opfern häuslicher Gewalt aus dem Jahr 2007 ersetzen soll) ist der Einsatz einer individuellen Fallbetreuung, durch die Missbrauchsopfer dabei unterstützt werden sollen, sich im Rechtssystem und anderen Dienstleistungsangeboten zurechtzufinden. Außerdem kann durch das neue Gesetz ein 48-stündiges Kontaktverbot des Täters zum Opfer erlassen werden, ohne auf die gerichtliche Genehmigung warten zu müssen. Es wird erwartet, dass diese Änderung viele Leben retten wird.

Das Gesetz ist jedoch noch nicht in Kraft getreten, was zum Teil auf Bedenken zurückzuführen ist, die damit einhergehen, dass die Befugnisse zur Untersuchung häuslicher Gewalt an Beamte des Sozialministeriums abgegeben werden sollen. Anklagen wegen Körperverletzung im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt unterstehen nach dem Gesetzentwurf einer zwingenden strafrechtlichen Verfolgung. Unter dem Gesetz von 2007 gelten die üblichen rechtlichen Verfahren, bei denen die Polizei die Untersuchung durchführt; außerdem liegen demnach Anklagen wegen Körperverletzung im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt im Ermessen der Justizbehörden, d.h. sie müssen nicht zwingend strafrechtlich verfolgt werden.

“Was besonders besorgniserregend ist, ist dass die Mitarbeiter*innen der Provinzverwaltungen des Sozialministeriums nicht über die erforderlichen Fähigkeiten und Ressourcen für die zusätzlichen Aufgaben und Verantwortlichkeiten verfügen”, sagt Areewan Jatuthong, eine bekannte Frauenrechtlerin und Anwältin. Die Provinzbeamt*innen könnten durch das neue Gesetz zu viel Macht bekommen und voreingenommene Entscheidungen treffen, die wiederum dem Täter zugute kommen könnte.

Das Gesetz zum Schutz der Familie wird von Aktivist*innen auch dahingehend kritisiert, dass es eher traditionelle Familienwerte verteidigt als dass es Missbrauchsopfern Zugang zur Justiz verschafft. Laut Kritiker*innen spiegelt das Gesetz eine konservative Mentalität wider. "Der Änderungsentwurf zielt darauf ab, die Familie als Einheit zu erhalten. Aber was ist, wenn eine Familie nicht vereinbar ist?”, fragt die Anwältin Areewan.

Im August 2019 erließ das Kabinett ein Dekret, mit dem der Entwurf zur Änderung des Gesetzes von 2007 auf Eis gelegt wurde. Oppositionsparteien reichten daraufhin beim Verfassungsgericht eine Petition zur Prüfung der Rechtmäßigkeit des Dekrets ein und argumentierten, dass das Kabinett nicht das Recht habe, beim Thema Familienschutz ein Machtwort auszusprechen.

Das neue Gesetz soll auch dazu dienen, die Bedingungen für Arbeitsmigrant*innen zu verbessern, die in Thailand leben und arbeiten.

Gewalt gegen ausländischen Arbeitsmigrantinnen

"Stress und Armut haben unter den Migrant*innen während der Pandemie stark zugenommen", sagt Watcharapon "Sia" Kukaewkasem, Gründerin und Leiterin des Freedom Restoration Project, einer Organisation, die in Mae Sot, im Westen Thailands, eine Selbsthilfegruppe für Opfer häuslicher Gewalt anbietet. "Etwa die Hälfte der Männer hier sind Bauarbeiter und haben ihre Arbeit verloren. Sie teilen sich als Familien oft nur ein Zimmer, und die Belastung ist hoch, wenn die Kinder wegen der Schulschließungen den ganzen Tag zu Hause bleiben müssen." 

Wie viele andere Migrantinnen aus Myanmar kam auch Ma Phyu auf der Suche nach einem besseren Leben nach Thailand. Das gewalttätige Verhalten ihres Mannes nahm zu, als seine Einkünfte als Motorradtaxifahrer wegen der Schulschließungen ausblieben. "Er gibt mir die Schuld für unsere miserable Situation", sagt sie. "Er schreit mich an, dass ich nutzlos sei, und droht oft damit, mich und die Kinder umzubringen. Er tritt mich regelmäßig und hat mich im April dreimal mit einem Messer angegriffen." Sie hält ihre vernarbten Finger hoch.

Vor der COVID-19-Pandemie hatte er vereinzelte Wutanfälle, jetzt sind sie an der Tagesordnung. "Wir erhalten einige Lebensmittelspenden, aber ich muss mir Geld von Leuten aus der Nachbarschaft leihen, um über die Runden zu kommen", sagt Ma Phya, die seit 22 Jahren in Mae Sot lebt.

Jedes Mal, wenn er handgreiflich wurde, suchte sie die Selbsthilfegruppe auf, die ihre einzige Anlaufstelle war. Während des Lockdowns durften sich die Frauen nicht mehr treffen.

Sia, die der ethnischen Gruppe der Akha in Thailand angehört, ist Sozialarbeiterin und selber ehemaliges Opfer häuslicher Gewalt. Sie leitet das überschaubare Freedom Restoration Project zusammen mit einer Karen[1]-Frau, die ursprünglich aus Myanmar stammt. "Gewalt ist unter Migrant*innen recht normal - jede*r ist davon betroffen", sagt sie. "Die meisten Frauen ziehen es erst gar nicht in Betracht, ihren Mann zu verlassen. Sie denken oft, dass die Gewalt zum Teil ihre eigene Schuld ist, weil sie sich nicht gut genug um die Kinder gekümmert haben oder beim Kochen versagt haben. Opfer von häuslicher Gewalt suchen sich oft keine Hilfe, weil sie Angst haben, dass sie von der Gemeinschaft verurteilt werden könnten." 

Aber Migrantinnen haben auch keinen Ort, an den sie sich wenden können, betont Sia. In ihre Heimat zu reisen ist nahezu unmöglich, da die Grenzen zur Eindämmung der Pandemie geschlossen sind. Sie haben oft keine Verwandte oder Freunde in Thailand, die sie aufnehmen könnten. Hinzu kommt, dass es in Mae Sot keine Notunterkünfte gibt. "In ganz Thailand fehlen vor allem Unterkünfte in Gegenden, wo Migrant*innen wohnen", sagt sie.

Sia tut ihr bestes, um einige dieser Lücken zu schließen. Sie bietet Workshops für Mütter an und bringt minderjährigen Mädchen bei, wie sie sich gegen sexuellen Missbrauch wehren können. Sie ist der Meinung, dass die Gleichstellung der Geschlechter Teil des Lehrplans sein sollte. "Viele Männer haben in ihrer Kindheit erlebt, dass ihre Väter ihre Mütter und Schwestern verprügelten. Wir führen Erziehungsworkshops für Frauen durch, aber eigentlich sollten auch die Väter daran teilnehmen, um zu lernen, wie sie mit ihrem Frust anders umgehen und ihr Verhalten ändern können."

Häusliche Gewalt wird wahrscheinlich zunehmen

Die Frauenrechtlerinnen nehmen an, dass die Angst vor einer Ansteckung und die finanziellen Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Pandemie Frauen in ganz Thailand dazu veranlassen könnten, zu warten und die Misshandlungen zu ertragen, bis die Epidemie vorüber ist.

Angesichts düsterer Prognosen über einen dramatischen Wirtschaftsrückgang in diesem Jahr, trüber Aussichten für die Tourismusindustrie (was eine wichtige Beschäftigungsquelle darstellt) und einer Arbeitslosenquote, die Mitte April bei 7 Millionen lag, aber bald schon 10 Millionen beziffern könnte, ist die Regierung mit der neuen Prioritätensetzung überfordert.

Es ist noch zu früh zu sagen, wie sich die Pandemie auf die Finanzierung sozialer Dienstleistungen auswirken wird, die entweder der Staat oder die Zivilgesellschaft bereitstellt. Da der finanzielle Druck in den privaten Haushalten weiter zunimmt, erwarten viele Frauenrechtlerinnen in Thailand, dass sich Gewalt gegen Frauen und Kinder zuspitzen könnte.

"Jetzt wo das Thema Gewalt gegen Frauen während der Pandemie mehr Aufmerksamkeit bekommen hat, werden NRO hoffentlich mehr Spenden und finanzielle Mittel für die Abeit in diesem Bereich erhalten", sagt U-sar Lerdsrisuntad, Direktorin der Foundation for Women (FFW). "Eigentlich sollte der Gesundheitssektor Gewalt gegen Frauen in seinen Aufgabenbereich miteinbeziehen. Das Thema sollte aus gesundheitlichen Gesichtspunkten betrachtet werden."

 Untersuchungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge gibt es die Tendenz, dass Gewalt gegen Frauen in jeglicher Notlage, auch bei Epidemien, zunimmt. In Berichten der Vereinten Nationen und Studien zu Menschenrechten wird hervorgehoben, dass die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie zu einem weltweiten Anstieg neuer und bereits bestehender missbräuchlicher Verhaltensweisen und Gewalt geführt haben.

"In der thailändischen Gesellschaft", so die Anwältin Areewan, "ist es sehr schwierig, das Thema häusliche Gewalt anzugehen, weil wir sie immer noch billigen und die Menschen immer noch gewaltverherrlichende Medien konsumieren. Egal, wie sehr wir uns für die Gleichstellung der Geschlechter und für Gender-Sensibilität einsetzen: Wir leben immer noch in einer von Männern dominierten Gesellschaft." Areewan befürchtet auch, dass Regierungs- und Polizeibeamt*innen die bereits geltenden Gesetze zu häuslicher Gewalt nicht vollständig verstehen.

Supensri ist der Meinung, dass die Regierung jetzt mehr denn je in den Ausbau gut ausgebildeter Sozialarbeiter*innen und in Unterkünfte investieren muss, in denen Kinder nicht getrennt von ihren Müttern untergebracht werden. Sie fügt hinzu, dass die 1300er-Hotline speziell Fällen von Gewalt gegen Frauen und Mädchen gewidmet sein sollte, damit die Anrufe von einem Fachpersonal entgegengenommen werden können.

"Wenn wir alles richtig machen, könnten wir die Krise als Chance nutzen, um unserer Arbeit mehr Wirkung zu verleihen", sagt sie.

 

[1] Die Karen sind eine ethnische Minderheit aus Myanmar