Joseph Beuys und die Grünen

Hintergrund

„Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“… Kunst und Politik gleichermaßen verändern und die Grenze zwischen den beiden Welten einreißen – nicht weniger wollte Joseph Beuys, auch durch sein frühes Engagement bei den Grünen. Zum 100. Geburtstag blickt der Schweizer Kunsthistoriker Philip Ursprung zurück und fragt, was bleibt. Den Beitrag begleiten bisher kaum bekannte Aufnahmen des Berliner Fotografen Peter Brüchmann von Beuys auf dem Gründungsparteitag der Grünen.

Joseph Beuys im Gespräch, vorne links: Wilhelm Knabe, Johannes Stüttgen
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Gründungsparteitag der Grünen in der Stadthalle Karlsruhe am 12./13. Januar 1980, Joseph Beuys in der Stadthalle

Es ist nicht auszuschließen, dass die Grünen bald eine Bundeskanzlerin stellen werden. Sie sind aus der jüngeren Politikgeschichte nicht mehr wegzudenken. Ebenso wenig ist Joseph Beuys (1921-1986) aus der jüngeren Kunstgeschichte wegzudenken. Er wäre dieses Jahr 100 Jahre alt geworden.

Kann man sich die Grünen vorstellen ohne Beuys? Ja. Beuys gehörte neben Petra Kelly zwar zu den prominentesten Gründungsmitgliedern. Sein «Aufruf zur Alternative» trug Ende 1978 zur Bildung der frühen Parteiprogramme bei. Er trat im März 1979 in Frankfurt a.M. für das bürgerlich-ökologische Listenbündnis «Sonstige Politische Vereinigung/Die Grünen» für die Europaratswahl an. Er engagierte sich auf Podien, in den Medien und in Fußgängerzonen für den Wahlkampf. Er stellte sein Atelier zur Verfügung, spendete Geld, entwarf ein Motiv für ein Wahlplakat.

Gründungsparteitag der Grünen in der Stadthalle Karlsruhe am 12./13. Januar 1980, Joseph Beuys in der Stadthalle sitzend
Foto: Peter Brüchmann, © artbeau4 / Heinrich-Böll-Stiftung

Aber die Partei der Grünen wären auch entstanden, wenn Beuys sich aus der Politik herausgehalten hätte. Tatsächlich ließen die Grünen den berühmten Künstler wie eine heiße Kartoffel fallen, als sie 1983 in den Bundestag einzogen. Er hatte, nachdem er keinen vorderen Listenplatz erhalten hatte, 1982 seine Kandidatur für die Bundestagswahl zurückgezogen. Kunst war nie eine Priorität der Grünen – zu stark war sie mit dem Ruch des Elitären behaftet. Und Beuys’ Kritik an der repräsentativen Demokratie war zumindest mit den Zielen der «Realos» in der Partei unvereinbar. Er blieb zwar loyal, verhehlte aber seine Enttäuschung über die Institutionalisierung der Bewegung nicht und meinte Mitte der 1980er Jahre: «Die Grünen sind stinklangweilig geworden.»

Während die Grünen ohne Beuys denkbar sind, ist Beuys, beziehungsweise seine heutige Rezeption, eng mit der Geschichte der Grünen verwoben. Natürlich ist sein Werk kein Ausdruck des Programms der Grünen und keine Folge ihrer Politik. Schließlich war er bei der Gründung der Partei fast 60jährig und hatte den größten Teil seines Werks bereits geschaffen. Aber ohne seine politische Arbeit würde er heute kaum eine derart breite Öffentlichkeit auch jenseits der Kunstwelt interessieren. Dass Beuys mehr ist als Teil des kunsthistorischen Kanons, dass er noch immer polarisiert und zwingt, Partei zu ergreifen, rührt zu einem großen Teil daher, dass er die Grenze zwischen Kunst und Politik in Frage stellte.

Joseph Beuys, Coca-Cola trinkend
Foto: Peter Brüchmann, © artbeau4 / Heinrich-Böll-Stiftung

Was Beuys von den meisten Künstlerinnen und Künstlern seiner Zeit und danach unterscheidet, beispielsweise von Henry Moore, Hans Haacke oder Gerhard Richter, ist, dass er nicht Kunst über Politik und Geschichte machte, sondern die Kunst und die Politik gleichermaßen verändern wollte. Er spürte, dass in den 1970er Jahren in der in der Bundesrepublik eine Art Interregnum herrschte, eine Phase des Übergangs zwischen der Blüte des starken Wohlfahrtsstaates im «Wirtschaftswunder» und dem beginnenden Neoliberalismus. Die von den Intellektuellen ausgehende 1968er Bewegung hatte keine grundsätzliche politische Veränderung bewirkt. Der revolutionäre Impuls von 1968 wurde quasi kulturell absorbiert. Er äußerte sich in einem neuen Lebensstil, der die zeitgenössische Kultur und die Sorge für die Umwelt viel höher hielt als der Lebensstil der Vorgängergeneration. Die Türe, die sich um 1970 geöffnet und die Hebelwirkung der Kultur verstärkt hatte, schloss sich Anfang der 1980er Jahre wieder. Wenn man so will, waren es die Grünen, die als vierte Partei das Vakuum füllten.

Die Phase der Transformation in den 1970er Jahren war dynamisch und von inneren Widersprüchen geprägt. Sie war von einer Fülle von Gruppierungen, Bewegungen, Splitterparteien und wechselnden Koalitionen gekennzeichnet. In diesem Kontext wird verständlich, warum Beuys zwischen 1967 und 1973 selbst einer Reihe von politischen Institutionen gründete, von der «Deutschen Studentenpartei» über die «Organisation für direkte Demokratie durch Volksabstimmung» bis zur «Free International University». Die Wirkung dieser Gründungen war auf dem Feld der Politik zwar minim. Sie erreichte nicht mehr als eine Handvoll Anhänger. Aber sie veränderte das Feld der Kunst. Und Beuys nutzte die gewachsene Hebelwirkung der Kunst, um auf die Gesellschaft zu wirken.

Beuys’ Ort in den Gründungsgrünen

Die Historikerin Silke Mende hat in ihrem Buch «Nicht rechts, nicht links, sondern vorn»: Eine Geschichte der Gründungsgrünen (2011) diese historische Phase analysiert.[1] Ihre Darstellung zeigt das bunte Neben- und Miteinander von teilweise völlig verschiedenen Gruppierungen, die von Lebensschützern, Umweltschützern, Ökobauern und Feministinnen bis zu linken Gruppierungen der APO, der Außerparlamentarischen Opposition reichten. In diesem weiten Spektrum fanden sich Vertreter verschiedener Generationen und verschiedener Ideologien, von einstigen Nazis, die rassistischen und antisemitischen Ideologien anhingen über antiautoritären Anthroposophen bis zu Pazifisten und Kommunisten.

Auf der rechten Seite des Spektrums lokalisiert Mende die «Gruppe der konservativen Grünen, die Bewahrer», deren «Denkkollektiv» sich um einzelne Personen wie Herbert Gruhl formierte. Ihre «hierarchischen, teilweise autoritären Gesellschaftsvorstellungen» wurzelten in den 1940er und 1950er Jahren, den positiven Bezugspunkt bildete die vormoderne Idylle.»[2] Eine zweite  Gruppierung lässt sich laut Mende mit dem Begriff des «Gemeinschaftsdenkens» beschreiben. Im Gegensatz zur «Gesellschaft» sahen deren Vertreter ihr Ideal in der Gemeinschaft und waren stark von den Ideen der Zwischenkriegszeit geprägt.[3] Als drittes Denkkollektiv definiert Mende das der «antiautoritären Anthroposophen». «Für dessen Genese waren drei Faktoren konstitutiv: Erstens, die grundsätzliche Verankerung in der Anthroposophie, deren Versatzstücke weit den späten 1960er Jahren einen ungeahnten gesellschaftlichen Aufschwung erlebten. Zweitens, die Erfahrung von Kriegsende und früher Nachkriegszeit, die insbesondere die älteren, um 1980 geborenen Mitglieder des Netzwerks prägten. Drittens, der Zeitgeist der 1960er Jahre im Umfeld von ‘Neuer Linken’, APO und Studentenbewegung.» Die vierte Gruppe war laut Mende die «undogmatische Linke», und die fünfte die «Zerfallsprodukte der dogmatischen Linken».

Gründungsparteitag der Grünen in der Stadthalle Karlsruhe am 12./13. Januar 1980, Joseph Beuys in der Stadthalle, händeschüttelnd
Foto: Peter Brüchmann, © artbeau4 / Heinrich-Böll-Stiftung

Beuys lässt sich am ehesten der Gruppe der antiautoritären Anthroposophen zuordnen. Ab den 1970er Jahren bezog er sich in Diskussionen und Interviews verschiedentlich auf Rudolf Steiner. Er war nie Mitglied der anthroposophischen Gesellschaft. Aber er war dem «Achberger Kreis» verbunden und orientierte sich unter anderem für seine Geldtheorien an anthroposophischen Außenseitern wie Wilhelm Schmundt. Laut Mende nahmen die antiautoritären Anthroposophen «häufig eine Mittlerfunktion im grünen Gründungsprozess ein. Sie verorteten sich selbst, vor allem auf der Ebene des Habitus und der politischen Praxis, im weitgefächerten Spektrum der undogmatischen Linken, boten jedoch auch thematische Anknüpfungspunkte für die beiden erstgenannten Netzwerke.»[4]

Diese Mittlerfunktion mag eine Antwort auf eine Frage geben, welche die Diskussion spätestens seit Hans Peter Riegels 2013 zuerst erschienener, inzwischen vierbändiger Beuys-Biographie beschäftigt.[5] Wie kam es, dass Beuys als Parteiloser 1976 auf der Liste der Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher (AUD) für die Bundestagswahl kandidierte? Wie lässt sich Beuys’ Eintreten für Freiheit und Demokratie vereinbaren mit der autoritären und teilweise in völkischen Ideologien verhafteten Haltung des Protagonisten der AUD, August Haußleiter? Nahm er dessen Gesinnung in Kauf? Stimmte er teilweise mir ihr überein? Ging er ein vorübergehendes Zweckbündnis ein, die einzige Möglichkeit einer Kandidatur jenseits der etablierten Parteien, deren «Parteiendiktatur» er ablehnte, zu einem Zeitpunkt, als es die Grünen noch nicht gab? Beuys selbst sprach 1976 von einem «Zwischentrick».[6]

«Aufruf zur Alternative»

Beuys’ Weltbild war nicht systematisch. Wie ein Schwamm absorbierte er Trends und Denkmodelle. Viele seiner Vorträge und Texte sind inkohärent. In seinem Element war er in der Diskussion. Am deutlichsten wird sein politisches Programm im «Aufruf zur Alternative», der am Samstag, dem 23. Dezember 1978, im Feuilleton der Weihnachtsausgabe der Frankfurter Rundschau erschien. Bereits der erste Satz zeugt von einem internationalen Horizont: «Dieser Aufruf richtet sich an alle Menschen des europäischen Kultur- und Zivilisationskreises.»[7] Ziel des Aufrufs war eine neue, gerechte und freie transnationale Gesellschaft, welche die Teilung durch den Kalten Krieg ebenso überwindet wie die Kolonialherrschaft. In den Worten des Autors hieß das, dass eine «Bewegung entsteht, die durch ihre Erneuerungskraft die Mauern abträgt zwischen Ost und West und die Kluften zuschüttet zwischen Nord und Süd.» Der Weg dahin sollte im Rahmen der demokratischen Gesellschaft mittels Veränderung der Verfassung geschehen, über eine «gewaltfreie Revolution» und eine «konzertierte außerparlamentarisch-parlamentarische Aktion».

Joesph Beuys, Wahlzettel in der Hand
Foto: Peter Brüchmann, © artbeau4 / Heinrich-Böll-Stiftung

Der «Aufruf» beschreibt die Symptome der Krise, zuerst die militärische Krise, also die «Gefahr einer atomaren Weltvernichtung» und das «erbitterte Rüstungswettrennen».» Als zweites die ökologische Krise, also die «restlose Zerstörung der Naturgrundlage, auf der wir stehen», durch ein Wirtschaftssystem, das «auf hemmungsloser Ausplünderung dieser Naturgrundlage beruht.» Schuld ist nicht alleine der Kapitalismus: «Ganz klar muss ausgesprochen werden, dass das privatkapitalistische Wirtschaftssystem des Westens von dem staatskapitalistischen des Ostens sich in diesem Punkt grundsätzlich nicht unterscheidet. Die Vernichtung wird weltweit betrieben.» Die Wirtschaftskrise äußerte sich in Arbeitslosigkeit und Güterverschleiß, und die Sinnkrise in der Tatsache, dass sich viele Menschen ausgeliefert fühlten und sich entweder in Selbstzerstörung oder Weltflucht verliefen.

Die Ursache der Krise seien «das Geld und der Staat, das heißt die Rollen, die dem Geld und dem Staat in diesen Systemen eingeräumt werden.» Deren Vorherrschaft unterscheide sich im Westen und Osten nicht: «Kapitalismus und Kommunismus haben die Menschheit in eine Sackgasse geführt.» Der Ausweg sollte über die Theorie geschehen, über eine «Revolution der Begriffe». Beuys bezieht sich auf das Konzept des «dritten Wegs» der Wirtschaftstheoretiker Wilhelm Schmundt, einem pensionierten Waldorfschul-Lehrer, und Eugen Löbl, einem der Protagonisten des Prager Frühlings. Er veränderte deren Vorstellungen zum «dritten Wegs» insofern, als er ins Zentrum die Wünsche und die Dimensionen des einzelnen Menschen stellte, im Sinn seiner eigenen Idee der «sozialen Plastik». Anstelle der herrschenden Wirtschaftsordnung, welche den Zusammenhang zwischen Arbeit und Lohn aufbrach, sollte die Vorstellung treten, dass Arbeit immer «Arbeit für andere» und Einkommen ein Menschenrecht sei.

Parallel zur Veränderung der Beziehung zwischen Arbeit und Einkommen sollte sich der Geldbegriff ändern. Anstelle der Macht des Geldes als etwas, das außerhalb des Gesellschaftssystems existiert, sollte das Geld zu einem «Rechtsregulativ» werden, das beispielsweise zur Investition oder zum Konsum berechtigt, aber nicht zur Spekulation.

Komplex war die Frage nach der Rolle des Staates, da die staatliche Lenkung im «Widerspruch zum Freiheitsimpuls, zur Forderung nach Selbstbestimmung, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung» stehe. Anstelle der staatlichen Organe stellte sich Beuys ein «System beratender Kuratoren» vor. Das «freie Unternehmen in einer selbstverwalteten Wirtschaft und einer selbstverwalteten Kultur» war die «demokratische Basiseinheit einer nachkapitalistischen und nachkommunistischen neuen Gesellschaft des realen Sozialismus.» Der Staat wäre auf die Regulierung und Durchsetzung begrenzt. «Der Staat wird erheblich schrumpfen. Was übrig bleibt, wird man sehen.»

Der «Aufruf zur Alternative» war teilweise von den Wilfried Heidt und Peter Schata entworfen, den Protagonisten des „Achberger Kreises“, und von Beuys redigiert und gekürzt worden. Ein Vorbild war Steiners Aufruf An das Deutsche Volk und die Kulturwelt (1919). Steiners Dreigliederungsmodell war zentral für die im Aufruf entwickelten Ideen. Der Text führte aber auch Fragen weiter, die Beuys in der Deutschen Studentenpartei, der Organisation für Direkte Demokratie durch Volksabstimmung und der Free International University verhandelte hatte. 1972 erschien in einem Ausstellungskatalog der Text «Freie Internationale Schule für Kreativität, Kommunikation und interdisziplinäres Gespräch».[8] Darauf aufbauend, entstand das gemeinsam mit Heinrich Böll unterzeichnete “Manifesto on the founding of a ‘Free International School for Creativity and Interdisciplinary Research’”.[9]

Der «Aufruf» war nicht zuletzt ein Instrument des Wahlkampfs und schließt mit dem Wunsch, dass die Menschen, die diese Programme entworfen haben, «in die Parlamente hineinkommen» und sich solidarisch mit verwandten Bewegungen verbünden: «Die Bewegungen der Bürgerinitiativen, die ökologische, die Friedens- und die Frauenbewegung, die Bewegung der Praxismodelle, die Bewegung für einen demokratischen Sozialismus, einen humanistischen Liberalismus, einen Dritten Weg, die anthroposophische Bewegung und die christlich-konfessionell orientierten Strömungen, die Bürgerrechtsbewegungen und die 3. Welt-Bewegung müssen erkennen, dass sie unverzichtbare Bestandteile der Gesamtalternativbewegung sind: Teile, die sich nicht ausschließen und widersprechen, sondern ergänzen.»[10]

7000 Eichen

Das politische Engagement für die Grünen schlug sich in den Kunstwerken und der Rhetorik von Beuys in verschiedener Hinsicht nieder. Zwei umfangreiche Renaturierungsprojekte für die Spülfelder von Hamburg und Münster konnte er nicht realisieren. Aber 7000 Eichen: Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung, begonnen anlässlich der Documenta 7 1982 in Kassel, wurde zum Emblem einer Kunst, sich jenseits der Grenzen der Kunstwelt den Fragen der Partizipation, der Urbanisierung und der Ökologie zuwendet. 7000 Eichen richtet sich an eine Öffentlichkeit, die weit über die Kunstinteressierten hinausgeht – typisch für das von Beuys formulierte Idee des „erweiterten Kunstbegriffs“. Es ist auch ein Kunstwerk, das die Zusammenarbeit mit Ämtern und Behörden, mit Landschaftsarchitekten, mit Kuratoren und lokalen Bürgervereinen beinhaltet. Nicht zuletzt ist es ein organisatorischer Kraftakt, der jahrelanges Fundraising beinhaltet, unter anderem auch durch Spendenaufrufe, Baum-Patenschaften, eine Performance, sowie eine Werbekampagne von Beuys für eine japanische Whiskeymarke.

Gründungsparteitag der Grünen in der Stadthalle Karlsruhe am 12./13. Januar 1980, Joseph Beuys in der Stadthalle, Foto: Peter Brüchmann, © Heinrich-Böll-Stiftung
Foto: Peter Brüchmann, © artbeau4 / Heinrich-Böll-Stiftung

Der kalauernden Untertitel „Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“ ist ohne die lange Beschäftigung von Beuys mit politischen Prozessen kaum vorstellbar. Die Aktion kann im Grunde genommen auf ihren Titel zusammengefasst werden. Alle können sich davon ein Bild machen, selbst diejenigen, die sich für Kunst nicht interessieren. Es fällt auf, dass ab den mittleren 1970er Jahren die früheren, oft hermetischen und rätselhaften Titel leicht verständlichen Titel weichen wie Sonne statt Reagan, Das Ende des 20. Jahrhunderts oder Capri-Batterie.

Noch einmal: Die Grünen würde es auch ohne Beuys geben. Aber so, wie seine Kunst als Spiegel der heutigen Kunst fungiert und zeigt, wie die Kunst sein könnte, so könnte sie auch für die Politik ein Anlass sein, noch einmal grundsätzlich auf ihre Möglichkeiten und ihre Potentiale zu reflektieren. Petra Kelly, deren eigener Einfluss bei den Grünen Ende der 1980er Jahre schwand, sagte im Rückblick: «Ich persönlich habe es meiner Partei nie verziehen, dass Joseph Beuys 1983 nicht in den Bundestag einziehen durfte.»[11] Sie vermisste den Impuls von Beuys, weil er verdrängte Tatsachen schmerzhaft ins Bewusstsein hob. In ihren Worten: «Daran fehlt es heute sehr – innerhalb der grünen Bewegung und auch innerhalb der gesamtdeutschen Gesellschaft. Ich sehe kaum mehr die Umsetzung künstlerischer in gesellschaftliche Energien für eine erneuerte Demokratie und für eine ökologische, pazifistische Gesellschaft.»[12] Für sie war Beuys ein Pionier, der «grüne Vordenker, ehe es uns, Die Grünen, überhaupt organisatorisch gab.»[13]

 


[1] Silke Mende, Nicht rechts, nicht links, sondern vorn: Eine Geschichte der Gründungsgrünen, München, Oldenbourg Verlag, 2011.

[2] Ebd., 483-484.

[3] Ebd., 384.

[4] Ebd., 384-385.

[5] Hans Peter Riegel, Beuys, Die Biographie, 4 Bd., Zürich, Riverside, 2019-2021.

[6] Ebd., 459.

[7] Joseph Beuys, Aufruf zur Alternative, in: Frankfurter Rundschau, 23.12.1978.

[8] Joseph Beuys, «Freie international Schule für Kreativität, Kommunikation und interdisziplinäre Kreativität», in: Szene Rhein-Ruhr ’72, Museum Folkwang, Essen, 1972, o.S.

[9] Joseph Beuys and Heinrich Böll, “Manifesto on the foundation of a „Free International School for Creativity and Interdisciplinary Research” (1973), in: Energy Plan for the Western Man, Joseph Beuys in America, Writings and Interviews with the artist, compiled by Karin Kuoni, New York, Four Walls Eight Windows, 1990, 149-153. “Manifest zur Gründung einer Freien Hochschule für Kreativität und interdisziplinäre Forschung”, Manuskript auf Deutsch Depositum des Heinrich Böll Archivs, Köln, Archiv. Nr. 150/73.

[10] Joseph Beuys, Aufruf zur Alternative, in: Frankfurter Rundschau, 23.12.1978.

[11] Petra Kelly, Joseph Beuys – “Beuys war immer schon fort, wenn die anderen kamen!» Beitrag zu Parallel Denken, Symposium, Düsseldorf, 18.1.1992, in: Diese Nacht, in die die Menschen …Wangen/Allgäu, FIU Verlag, 1994, 101-116, hier: 104.

[12] Ebd., 108.

[13] Ebd., 104.