Städte: Graue Flächen, grüne Zukunft

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Ausschnitt aus der Grafik "Erfolg im Mangel" (s.u.)

Bis 2050 werden zwei Drittel der Menschen weltweit in Städten leben. Schon heute hängt die Lebensqualität davon ab, wie gut sie geplant sind - ein Kapitel aus dem Bodenatlas.

Öffentliche Parks, private Gärten und die Bäume entlang mancher Straßen sind willkommene grüne Tupfer. Sie sind lebenswichtige Lungen für die Stadt und ihre Bewohner. Wo der Boden nicht versiegelt ist, kann Regenwasser versickern – so werden Überschwemmungen vermieden. Und auf freien Grünflächen finden Menschen Erholung.

Grünflächen in den Städten und um sie herum sind zu­dem erstaunlich wichtig für die Produktion von Lebensmitteln. In manchen Ländern sind bis zu 80 Prozent der ärmsten Einwohner mit „städtischem Ackerbau“ befasst. Sie pflanzen Obst und Gemüse und halten Hühner und Ziegen. Auf diese Weise haben sie frisches, gesundes Essen, das sie sich sonst nicht leisten könnten. Aber diese Stadtbauern klagen auch, dass sie nicht genug Land haben, die Böden karg sind und die Versorgung mit Wasser nicht zuverlässig funktioniert.

Dennoch wird in Städten eine beträchtliche Menge an Nahrungsmitteln produziert. In Afrika südlich der Sahara haben 40 Prozent aller Haushalte Gärten, in Nepal sind es 57, in Nicaragua 68 und in Vietnam 69 Prozent. Die Gärten müssen gar nicht groß sein. Oft ziehen Menschen ihre Pflanzen auch in Töpfen auf dem Balkon oder Hausdach. Durch die rasch fortschreitende Urbanisierung werden Grünflächen ohnehin knapp. Wiesen werden zu Wohnflächen, Gärten zu Garagen.

Würden bestimmte Flächen als Agrarzone ausgewiesen, könnte das die Lebensmittelversorgung sichern und vor Hochwasser schützen. Das ließe sich noch steigern, wenn die Menschen in organischen Anbaumethoden unterrichtet würden, ihnen bei der Beschaffung des richtigen Saatguts geholfen und mehr Markthallen eingerichtet würden.

Für Kubas Hauptstadt Havanna ist die lokale Versorgung von größter Bedeutung – zum Wohlwollen der Ernährungsexperten

Ackerbau in Städten und stadtnahen Gebieten ist insbesondere in Lateinamerika weit verbreitet. Hier leben bereits die meisten Menschen in Städten. Landwirtschaft wird oft in Entwicklungspläne sowie in Forschungs- und Bildungsprogramme einbezogen. Immer häufiger gibt es Bauernmärkte, und es ist beeindruckend, was in einigen Städten mittlerweile wächst und geerntet wird: 15.000 Tonnen Gemüse werden jährlich auf 22.800 Hektar Land in Mexiko-Stadt angebaut. Und am Stadtrand des wasserarmen Lima wachsen auf 5.000 Hektar bewässertem Boden Lebensmittel für die ganze Stadt.

Die armen Viertel in US-Metropolen wie Detroit sind Lebensmittelwüsten. Die Läden mit frischem Obst und Gemüse liegen weit entfernt, und öffentliche Verkehrsmittel gibt es fast nicht. Dafür existiert reichlich Brachland, auf dem Projekte für Gemeinschaftsgärten leicht umgesetzt werden können. So existieren in der einstigen Autobauer-Metropole Detroit 1.200 Gärten, darunter einer in der Innenstadt mit 8.000 Quadratmeter Anbaufläche.

Städte sind Wärmeinseln. In ihnen ist es tagsüber 1 bis 4 Grad und nachts mancherorts 10 bis 15 Grad wärmer als in der Umgebung, weil Gebäude und geteerte Flächen die Sonneneinstrahlung absorbieren. Auch Fabriken, Fahrzeuge, Heizungen und Klimaanlagen erzeugen Wärme. Pflanzen hingegen kühlen durch Verdunstung die Luft und bieten Schatten. Selbst kleine Grünflächen in einer Stadt können die Temperatur in dem jeweiligen Viertel deutlich senken. Stadtgrün verbessert überdies die Luftqualität, da es das Kohlendioxid durch Sauerstoff ersetzt, Staub filtert und bindet. Schon ein 50 bis 100 Meter breiter Gürtel aus Bäumen und Büschen sorgt in einem Umkreis von 300 Metern für spürbar bessere Luft.

Wenn die Einwohnerzahl einer Stadt zunimmt, schrumpfen deren Grünflächen; sie werden zunehmend als Luxus betrachtet. Dabei zahlen sich Investitionen in städtische Grünflächen buchstäblich aus: Sowohl das Gesundheitswesen als auch die Energie- und Abwasserwirtschaft sparen Geld. In Brasilien investierte São Paulo im Jahr 2008 rund 180 Millionen Dollar in städtische Grünanlagen. Jährlich, so eine Studie, vermeidet die Metropole dadurch Schäden und Kosten von geschätzt 980 Million Dollar.

Städte sind nicht nur wärmer, sie sind auch feuchter als ihre Umgebung, weil Rauch und andere Partikel in der Luft zu mehr Niederschlag führen. Extreme, unvorhersehbare Wetterlagen nehmen wegen des Klimawandels zu. Heftiger Regen kann zu Überschwemmungen, Verkehrschaos und Überlaufen der Kanalisation führen. In Berlin wird das Abwassersystem durchschnittlich 35 Mal im Jahr völlig überlastet. Auch hier sind unversiegelte Böden wichtig, denn sie können überschüssiges Wasser aufnehmen und speichern.

Viele kleine Projekte sind oft erfolgreicher als wenige große. Manche futuristischen Projekte scheitern bereits in der Gegenwart

Parks und Grünflächen spielen zudem eine wichtige Rolle für die Freizeit, für geistiges und körperliches Wohlbefinden und die öffentliche Gesundheit. Darüber hinaus sind sie ein Ort, um sich zu versammeln, und gehören damit zur Demokratie. Reichere Menschen verfügen über private Gärten – daher sind öffentliche Parks und Spielplätze besonders für die nicht so wohlhabenden Mitglieder einer Gesellschaft wichtig, also für viele Senioren, Kinder aus bescheidenen Verhältnissen und für die Armen ohnehin.

In den USA haben Vorschriften in der Stadtplanung und niedrige Benzinpreise Vororte entstehen lassen, die mit Einfamilienhäusern bebaut und damit vergleichsweise dünn besiedelt sind. Dieses Modell zwingt Städte dazu, Parkplätze und Straßen zu bauen, die sehr teuer und auch schnell verstopft sind. In der texanischen Stadt Houston gibt es 30 Parkplätze pro Person. Besserer öffentlicher Nahverkehr könnte hier aus manchen grauen Flächen grüne machen.

Doch Grün ist nicht gleich Grün. Ungepflegte Flächen gelten oft als unsicher und sehen nicht sehr schön aus. Rasen verbraucht Wasser und Dünger. Grünstreifen zwischen den Fahrbahnen der Schnellstraßen und an Kreuzungen sind keine Oasen der Erholung. Der Weg zu einer Stadtplanung, in der Grünflächen und der Boden vielfältige Funktionen übernehmen und zur Nachhaltigkeit der Städte beitragen, ist in vielen Orten noch recht weit.

 

Quellen und weitere Informationen: