Unternehmen 2020: Die ökologische Gestaltung des Kapitalismus

Podium: Gunther Pauli, Ralf Fücks, Pavan Sukhdev (v.l.n.r.)
Teaser Bild Untertitel
Podium der Veranstaltung "Corporation 20120": Gunther Pauli, Ralf Fücks, Pavan Sukhdev (v.l.n.r.)

In der wichtigsten Frage sind sich Pavan Sukhdev und Gunther Pauli einig: Wenn der Klimawandel begrenzt und die Verschwendung von Ressourcen gestoppt werden soll, muss die Wirtschaft nach anderen Regeln funktionieren. Sukhdev, langjähriger Manager der Deutschen Bank in Indien und führender Kopf der Kampagne "Corporation 2020" plädiert für eine Revolution aus dem Inneren der Unternehmen heraus. Pauli, Unternehmer, Investor und Initiator der Kampagne "The Blue Economy" ist da skeptisch und hält den bewusst in Kauf genommenen Zusammenbruch des derzeitigen ökonomischen Systems mit einem kreativen Wiederaufbau für eine bessere Strategie. Die beiden Vordenker einer konsequent nachhaltigen Wirtschaft und Gesellschaft trafen sich auf dem Podium der Heinrich-Böll-Stiftung zum Dialog mit Ralf Fücks, Vorstand der Heinrich-Böll- Stiftung.

Pavan Sukhdev hat seine Forschungsarbeit für den Umbau der Wirtschaft in einem nun auch auf Deutsch erhältlichem Buch zusammengefasst. Der Autor habe einen Weg gefunden, "die unsichtbaren Kosten des Wachstums sichtbar zu machen", stellt Ralf Fücks fest und sieht darin einen "bahnbrechenden Ansatz". Im Kern geht es Sukhdev darum, dass die Kosten der Ausnutzung der Natur in den Bilanzen sichtbar und von den Unternehmen bzw. den Konsumenten auch bezahlt werden.

Ohne Hilfe und Einsicht der Unternehmen lässt sich ein Wandel zum nachhaltigen Wirtschaften nicht umsetzen. Das ist die für viele wohl ernüchternde Ausgangsthese Sukhdevs. Unternehmen erbringen 60 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung und stellen sieben von zehn Arbeitsplätzen. Ausgerechnet die Konzerne, die sich aus reinem Gewinninteresse rücksichtslos an den natürlichen Ressourcen vergreifen, Gewinne privatisieren und Verluste der Gesellschaft überlassen, sollen den Wandel herbeiführen.

"Die Unternehmen stehen im Zentrum des Problems und müssen zugleich Teil der Lösung sein", erläutert Fücks. Denn die Wirtschaft treibt durch Innovationen die Gesellschaft voran. Erfindungen wie das Auto oder das Internet, vielleicht später auch einmal die des 3-D-Druckers haben das Leben verändert. Ohne Innovationen gelingt ein ökologischer Umbau nicht.

Sukhdev hält das bislang übliche Geschäftsmodell für hinfällig. "Die Unternehmen funktionieren noch im Stil von 1920", kritisiert er. Das war das Zeitalter von Henry Ford, der die Fließbandarbeit zur Norm gemacht hat und gleichzeitig seine Mitarbeiter als Käufer der Autos im Blick hatte und sehr darauf bedacht war, die dafür erforderlichen Löhne zu zahlen. Alleinige Gewinnmaximierung war sein Credo also nicht, bis Richter ihn in einem bis heute nachwirkendem Urteil dazu trieben. Sie urteilten in einem Streit zwischen Ford und Minderheitsaktionären 1919 indirekt, dass der Zweck einer Aktiengesellschaft die Gewinnmaximierung sei. Diese Sichtweise ist bis heute Mehrheitsmeinung bei Eigentümern, Managern und letztlich auch Sparern und Investoren aller Art.

Das will Sukhdev ändern. „Es gibt eine Lösung“, versichert der Banker. Dafür sollen Politik, Gesellschaft und Wirtschaft vier Dinge verändern.

  1. Die Bilanzen müssen die Wahrheit sagen. Dazu müssen die Ressourcen der Natur grundsätzlich in die Bilanzen der jeweiligen Unternehmen eingepreist werden.
  2. Der zweite Ansatzpunkt ist das Fremdkapital, mit dem sich große Konzerne heute im Übermaß versorgen. Es ist die Basis für ein unbeschränktes Wachstum, an dessen Ende es tatsächlich „too big to fail“ wird. Realwirtschaftlich orientiert eingesetzt bringt es Unternehmen voran. Oft genug aber erliegen Manager dem Anreiz zur Überschuldung, weil sie wissen, dass im schlimmsten Fall die Gesellschaft die Haftung für die eingegangenen Risiken übernimmt.
  3. Der – unerwünschte - Verbrauch von Ressourcen und schädliche Dinge, wie etwa der CO2-Ausstoß, müssen besteuert werden, Dinge die erwünscht sind sollten möglichst nicht besteuert werden. Dies ist nach Meinung Sukhdevs die entscheidende Stellschraube für ein ökonomisch rationales und ökologisch wirksames Handeln.
  4. Handlungsbedarf erkennt Sukhdev auch bei der Werbung. Sie weckt oft überflüssige oder gar gesellschaftlich schädliche Bedürfnisse. „Rauchen Sie eine Lucky und Sie brauchen nichts Süßes mehr und bleiben schlank“, zitiert der Banker einen Werbeslogan des Zigarettenherstellers aus den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. 50 Jahre später werbe die Industrie noch immer mit dieser Masche, obwohl die negativen Folgen des Nikotinkonsums allseits bekannt sind. Allein dies koste die Gesellschaft gut zwei Billionen Dollar pro Jahr.

Doch wie kann das tradierte Verhalten der Unternehmen verändert werden? „Unternehmen haben keine Ethik“, warnt Gunther Pauli. Sie nützten alles aus und schafften von alleine keinen gesellschaftlichen Mehrwert. Genau dies sei aber notwendig. Pauli, dessen Konzept eine emissionsfreie und abfallfreie Wirtschaft anstrebt, plädiert für eine radikale Lösung durch politische Vorgaben. Wer sich daran nicht halte, solle eben pleite gehen, meint der Unternehmer. Dann entstehe eine neue, nachhaltige Wirtschaft auf den Trümmern der alten. „Die Großen wollen die Regeln des Spiels nicht ändern“, ist er sich sicher.

Sukhdev setzt dagegen auf ein Kooperationsmodell. „Die globale Gesellschaft ist so verwoben, dass ein globaler Schock vieles zerstören könnte“, warnt er vor der Radikallösung und plädiert für eine Veränderung aus dem Inneren der Unternehmen heraus. Dazu gehört die Bilanzierung der sozialen und ökologischen Kosten der Produkte, wie es einige Unternehmen wie Puma bereits tun. Auch die Politik ist gefordert. Sukhdev plädiert für die Abschaffung schädlicher Subventionen, gezielte öffentliche Investitionen und die Besteuerung des Verbrauchs natürlicher Ressourcen. Die von ihm angestrebte Corporation 2020 hat am Gemeinwohl orientierte Gewinnziele. Er ist überzeugt von der Erneuerungsfähigkeit der Wirtschaft, wenn die Rahmenbedingungen klug gestaltet sind.

Die Zeit drängt allerdings, es geht um eine Deadline: 2020.

 

Publikation: Corporation 2020 - Warum wir Wirtschaft neu denken müssen

 

Cover: Corporation 20120

Erscheinungsort: München
Erscheinungsdatum: 2013
Seiten: 296
ISBN: 978-3-86581-437-1